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Budget-Bäumchen, wechsle dich!

Von Hermann Sileitsch

Politik
Geld wächst nicht auf Bäumen, darum bleibt der Euro-Sonderhaushalt ein Zankapfel.
© Corbis/Kemp

Berlin akzeptiert statt Euro-Extrabudget nur gering dotierten "Solidaritätsfonds".


Brüssel. Papier ist geduldig. Es kann aber auch ganz schön lästig sein. Hinter den Türen der EU-Gipfel tobt ein Krieg der Worte - mit fast schon komischen Zügen. Seit Juni hat jedes der zahlreichen Strategiepapiere zur Reform der Eurozone und vertieften EU-Integration Vorschläge in die Runde geworfen, die Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel unverzüglich niedergebügelt hat. Kurz darauf tauchten dieselben Ideen neu verpackt Verpackung und unter anderem Namen erneut auf. Aus dem "zentralen Budget" der Eurozone wurde so eine "Fiskalkapazität" und eine Art Versicherungsfonds, der als "shock absorbing mechanism" gedacht sei.

Berlin reagierte auf das Zombie-Thema schon vor Wochen verschnupft: Merkel beschwerte sich über die scheinbar grenzenlose Kreativität beim Entwickeln ständig neuer Transferideen.

Worum geht es? Stein des Anstoßes ist der Vorschlag, dass die Währungsunion einen zentralen Topf erhalten soll, aus dem bei Krisen Geld an betroffene Euroländer fließen kann. Ökonomen sind überzeugt, dass eine funktionierende Währungsunion so einen Ausgleich braucht. Innerhalb von Bundesstaaten oder Föderationen fließt das Geld aus dem zentralen Haushalt an betroffene Regionen über den Finanzausgleich oder "automatische Stabilisatoren" - Steuern oder Zahlungen ohne politisches Zutun, wie etwa die Arbeitslosenversicherung.

Für die Eurozone gibt es das nicht. Dass Krisen jedoch sogar solide Länder treffen können, zeigen Spanien und Irland: Beide hatten vor der Krise mustergültige Budgets und Schuldenstände. Gerade dann, wenn ein Staat gegensteuern müsste, kann er kaum Kredite aufnehmen, weil der Markt hohe Zinsen verlangt.

Die bestehenden EU-Töpfe helfen wenig: Die Strukturfonds, die EU-Kommissar Johannes Hahn unterstehen, sollen den Aufholprozess rückständiger Regionen fördern, sind aber keine Antwort auf kurzfristige Zahlungsnöte. Der Euro-Rettungsschirm ESM leistet keine rasche Hilfe, weil politische Beschlüsse und langwierige Verhandlungen ("Memoranden") nötig sind. Und er offeriert nur Kredite - welche die Schuldenquoten steigern.

Deshalb wurde auch beim jüngsten EU-Gipfel über Wege in Richtung Fiskalunion diskutiert. Deutschland akzeptiert nur einen "Solidaritätsfonds", der Krisenländer bei schmerzhaften Wirtschaftsreformen unterstützt - ganz im Sinne der Strategie von Zuckerbrot und viel Peitsche. Es gehe um ein Budget von 10 bis 20, nicht von hunderten Milliarden Euro, betonte Merkel.

Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker reagierte enttäuscht: "Mir wäre es lieber gewesen, wir hätten uns deutlicher für eine Finanzkapazität der Eurozone ausgesprochen." Die Idee sei "nicht tot", aber mangels inhaltlicher Vorbereitung gescheitert.

Ähnlich sieht das Guntram Wolff von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": "Es gab und gibt sehr unterschiedliche Vorstellungen dazu." So sei in Frankreich angedacht worden, die Arbeitslosenversicherung überhaupt von der nationalen auf die europäische Ebene zu verlagern und ausreichend zu dotieren.

Im Boom würde eingezahlt

Eine andere Variante wären direkte Transferleistungen an Länder, die in eine Rezession schlittern. Wieder andere Ideen sehen eine "Fiskalkapazität" vor, die der gesamten Eurozone zur Konjunktursteuerung dienen könnte. Überrascht ist Wolff, dass das Thema in den Gipfelbeschlüssen gar nicht vorkommt. Er glaubt aber an eine Wiederkehr nach der deutschen Bundestagswahl im Herbst 2013. Eine mögliche große Koalition von Union und SPD könnte dafür eher empfänglich sein.

Ein funktionierender Krisen-Ausgleichstopf müsste laut Wolff
2 Prozent des BIP umfassen - das wären für die Eurozone etwas weniger als 200 Milliarden Euro. Das System sollte auf Wirtschaftszyklen reagieren: Länder im Boom, in einer überhitzten Konjunkturphase zahlen in den Topf ein. Länder in der Rezession erhalten daraus Geld zur Konjunkturstimulierung und für Investitionen. So würden die Transfers einander auf lange Sicht ausgleichen. Stürzt die ganze Eurozone in die Krise, müsste eine gemeinsame Schuldenaufnahme möglich sein. Denkbar sei auch, dass neue europäische Steuern in das Budget fließen.

Wolff ist überzeugt, dass es zusätzlich noch den geplanten Abwicklungsfonds für kaputte Banken braucht. In diesen sollten die Finanzinstitute selbst je nach Größe und Risiko ("nicht zu knapp") einzahlen. Bei großen Krisen werde das aber wohl nicht ausreichen. Dann könnte das Euro-Sonderbudget zur Absicherung dienen.