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"Es wird kein Auge zugedrückt"

Von Konstanze Walther

Politik

Der Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank, Wilhelm Molterer, über anstehende Projekte


"Wiener Zeitung":Herr Molterer, die Europäische Investitionsbank EIB fördert Projekte von Infrastruktur über Innovation bis zu Bankkrediten. Wo steckt den derzeit das Geld?Wilhelm Molterer: Im Bereich der städtischen Entwicklung sind zum Beispiel die U-Bahn in Sofia und Bukarest oder die Straßenbahn in Chisinau tolle Projekte. Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs ist ein wirkliches Anliegen der Menschen. In Sofia finanzieren wir zudem den Aufbau der Abfallwirtschaft. In Österreich investieren wir gemeinsam mit der ÖBB in den Westbahnausbau. Wir finanzieren mit der Voest ein Projekt zur Forschung und Entwicklung genauso wie mit AVL List.

Die Infrastruktur-Ausbau soll einerseits das Niveau in Europa angleichen, andererseits aber auch die Wirtschaft ankurbeln. Bei Projekten in den neuen Mitgliedsländern scheinen immer wieder Konzerne aus Westeuropa zum Zug zu kommen. Der österreichische Baukonzern Alpine ist zum Beispiel in Serbien beim Infrastruktur-Ausbau beteiligt. Wie viel von den Krediten der EIB fließt dann doch wieder nach Westeuropa?

Unsere Partner sind immer Unternehmen vor Ort, das heißt, im Infrastrukturbereich sind es öffentliche Unternehmen, die Straße oder Schiene betreiben. Die müssen die Ausschreibungsregeln der EU anwenden. Welche Firma dann vom Projektbetreiber den Zuschlag bekommt, ist nicht unsere Aufgabe. Wir wachen nur darüber, dass die Bedingungen eingehalten werden.

Gibt es genug Projekte, die den Kriterien der EIB entsprechen? Beziehungsweise zum Teil hat doch die EIB Probleme, das an sich vorhandene Kreditvolumen auszugeben?

Ich würde sagen, wir sind anspruchsvoll, das stimmt. Das gilt zum einen mit Blick auf die Qualität von Projekten. Zum anderen ist es natürlich auch so, dass wir das Risiko bewerten und manche Projekte nicht nehmen können. Trotzdem: Ich gehe mit 100-prozentiger Sicherheit davon aus, dass diese zusätzlichen Mittel, die wir zur Verfügung haben, das sind heuer 20 Milliarden mehr, tatsächlich gebraucht werden.

Tatsächlich?

Ja, denn die ersten Anzeichen einer positiveren Wirtschaftsstimmung sind da. Die Banken fragen bei uns "Globaldarlehen" nach, das heißt, dass wir einen Rahmenkredit mit einer Bank vereinbaren, die ihrerseits zu unseren Bedingungen den Kredit den Kleinen weitergibt. Hier spüre ich schon, dass sich die Stimmung ins Positive zu drehen beginnt. Das heißt nicht, dass die Krise vorbei ist, das dauert noch. Aber die Wirtschaft, die Unternehmen haben den Eindruck, dass die EU die Krise bewältigen kann.

Es ist kein Geheimnis, dass die Peripherie-Länder, allen voran Griechenland, bitter Investitionen benötigen. Ist es nicht vorstellbar, dass die EIB vielleicht bei Projekten für diese Länder ein Auge zudrückt, um das Wachstum anzukurbeln?

Ich glaube, dass in der Vergangenheit, von wem auch immer, viel zu viele Augen zugedrückt worden sind. Das Problem, dass wir in der EU haben, besteht zum Teil in diesem Augenzudrücken. Wir haben aber auch gute Projekte in Griechenland. Zusammen mit der EU-Kommission haben wir etwa einen 500 Millionen Euro schweren Garantiefonds für kleine und mittlere Unternehmen eingerichtet, als Pilotprojekt, für die Exportaktivitäten. Außerdem gibt es einen Infrastruktur-Garantiefonds in Griechenland. Aber es ist niemanden geholfen, wenn man eine Autobahn errichtet und nachher ist kein Verkehr. Die Fehler, die es in der Vergangenheit gegeben hat, die dürfen wir jetzt - gerade jetzt - nicht wiederholen.

Diese Garantiefonds klingen gut, aber das heißt nicht, dass das Geld abgeholt wird.

Unsere Rolle ist nicht, einen künstlichen Bedarf herzustellen. Die Entwicklung in Griechenland ist von einer besonderen Sensibilität gekennzeichnet, das ist völlig logisch. Aber auch hier zeigt sich, es gibt erste Signale, dass die Bemühungen der griechischen Regierung und der Bevölkerung greifen. Die ersten Vertrauenspflänzchen beginnen zu wachsen. Die wirkliche Währung in der Wirtschaft heißt Vertrauen. Und wenn Vertrauen in die Regeln und die zukünftige Perspektive besteht und wenn weiterhin Vertrauen darin besteht, dass die europäische Politik in der Lage ist, die Probleme in den Griff zu bekommen, dann kommen auch die Investitionen wieder zurück. Ohne Vertrauen keine Investitionen.



Wird genug investiert?

Das ist sicher in den vergangenen Jahren nicht geschehen. Wenn genug investiert worden wäre, hätten wir ja auch keine Wirtschaftskrise. Es ist die logische Konsequenz der Krise, dass einfach Vorsicht oder Zurückhaltung geboten war. Wir müssen extrem aufpassen, dass wir nicht Fehler wiederholen, die zur Krise geführt haben. So zum Beispiel jetzt, wenn Sie meinen, man sollte ein Auge zudrücken, nur damit investiert wird. Das wäre falsch. Es wäre genauso falsch zu sagen, wir machen wieder öffentliche Schulden, damit wir Investitionen, etwa in der Infrastruktur, finanzieren können. Ich kann ja nicht etwas mit der Therapie bekämpfen, die zum Problem geführt hat. Und dieses Lernen, was wir besser machen können, das ist ein Gebot der Stunde.

Sie waren von 2007 bis 2008 österreichischer Vizekanzler und Finanzminister der ÖVP. Reizt es Sie wieder zurückzukehren in eine gestalterische politische Rolle, etwa in die österreichische Innenpolitik?

Ich bin in einem gestalterischen Bereich tätig, der mich völlig fordert und das Kapitel Politik ist für mich zu Ende.

Wilhelm Molterer ist seit 2011 als Vizepräsident der EIB für den Bereich Kohäsion verantwortlich. Molterer war im Rahmen der Alpbach Talks in Wien.Die Alpbach Talks sind eine Kooperation zwischen dem Europäischen Forum Alpbach und der "Wiener Zeitung" und finden seit 2008 in Wien statt.Die Europäische Investitionsbank

Die Europäische Investitionsbank, die "Hausbank" der EU mit Sitz in Luxemburg, gehört allen 27 Mitgliedsländern. Projekte werden mit maximal 50 Prozent der Investitionskosten finanziert, üblicherweise ist es aber nur ein Drittel. Neben Infrastruktur und Forschung stellt die EIB auch Darlehen für Banken zur Verfügung, die die Banken wiederum weitergeben. Denn die EIB kann, anders als die Kommerzbanken, eine längerfristige Finanzierung zur Verfügung stellen. Zudem kann die EIB im Forschungsbereich und bei der Infrastruktur Projekte finanzieren, die am Markt aufgrund des Risikos keinen Kredit bekommen. Die EIB kann mit dem europäischen Budget, etwa dem Forschungsbudget, das Risiko absichern.

Vergangenes Jahr wurde das Eigenkapital um 10 Milliarden Euro aufgestockt, über Anleihen an den Kreditmärkten ist die EIB damit in der Lage, in den nächsten drei Jahren 60 Milliarden Euro mehr für Projekte auszugeben. Wilhelm Molterer ist einer von acht Vizepräsidenten der EIB, der Präsident ist Wilhelm Hoyer, ehemals stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion.