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Der Quotenfisch

Von Konstanze Walther

Politik

Bedrohte Fischbestände werden mit einer Quote vor der Entsorgung im Meer geschützt.


Brüssel/Wien. In der EU wird derzeit an einer Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik gearbeitet. In der Nacht zum Mittwoch wurde vor allem das Rückwurf-Verbot diskutiert. Erst nach 21 Verhandlungsstunden konnte sich der Europäische Rat auf ein Ergebnis einigen - es ist, dank des Drucks der Fischerei-Nationen, gespickt mit Ausnahmen.

Derzeit werden durchschnittlich 40 Prozent eines Fangs zurück geworfen. Anders formuliert: Fast die Hälfte der Fangmenge wird tot ins Meer gekippt. Diese Aussortierung mittels "Rückwurf" hat verschiedene Gründe. So gibt es für die meisten klassischen Speisefische inzwischen aufgrund von Überfischung Fangquoten, etwa für Kabeljau. Hat ein Schiff seine Kabeljau-Quote schon ausgeschöpft, fischt aber weiterhin nach anderen Fischarten und findet doch noch Kabeljau in den Netzen, so wird dieser Kabeljau bisher tot ins Meer zurückgekippt. Am Festland konnte man mit ihm nämlich nichts anfangen - ihn also nicht verkaufen, wenn die Quote schon erfüllt war. Ein anderer Grund, das Netz zu entleeren, ist, wenn dieses zwar voll ist, aber sich darunter zu wenig jener speziellen Fischart, nach der gejagt wurde, befindet. Zum Teil wird gekippt, weil die Maschinen zum Ausnehmen der Fische gerade auf eine bestimmte Fischgröße eingestellt sind und es zu umständlich wäre, diese auf andere Größen umzustellen - also zurück ins Meer.

Der Europäische Rat hat nun einen Kompromiss ausgehandelt. 2014 sollen nur noch neun Prozent dieses Rückwurfs auf die Fangquote erlaubt sein, dann acht und ab 2017 sollen es nur noch sieben Prozent sein.

Das bedeutet beispielsweise, dass ein Schiff nur noch sieben Prozent der Kabeljau-Fangquote ins Meer kippen darf. Die darüber liegende Fangmenge muss an Land gebracht werden und darf dort nicht gewinnbringend verkauft werden, heißt es in dem Entwurf. "Da gibt es verschiedene Möglichkeiten - entweder die kostenfreie Abgabe an Charity-Organisationen oder die Verarbeitung zu Fischmehl", erklärt Saskia Richartz, die für Greenpeace die Meerespolitik der EU in Brüssel überwacht, gegenüber der "Wiener Zeitung".

Zudem sind zwar ab 2017 alle Schiffe, die mit europäischer Flagge in internationalen Gewässern fischen, von der Quotenregelung erfasst. Der Rat hat hingegen die nationalen Gewässer von Drittstaaten explizit von der Quotenregel ausgenommen. Das bedeutet im Klartext, dass europäische Schiffe beispielsweise vor der westafrikanischen Küste weiterhin fischen und kippen können, wie sie wollen. "Das Argument ist, dass da ja dann die Regeln des Küstenstaats gelten würden. Das ist natürlich schwach", kritisiert Richartz. In diesen nationalen Gewässern existiert zumeist nicht einmal eine Fangquote - geschuldet aus der ökonomischen Situation des Landes, das seine Gewässer an die EU vermietet. Sehr zum Leidwesen der lokalen Fischerei.

Kaum kontrollierbar

Während die Politik den Entwurf des Europäischen Rats als "Kehrtwende in der Fischereipolitik" feiert, macht sich also Katerstimmung bei den Umweltschutzorganisationen breit: Das Rückwurf-Verbot ist geografisch begrenzt und bezieht sich nur auf den Quotenfisch, also auf jenen Fisch, für den aufgrund von Überfischung bereits Quoten existieren - andere Fischarten dürfen weiterhin tot im Meer entsorgt werden. Zudem sei völlig unklar, wie die sieben Prozent kontrolliert werden, kritisiert der WWF. "Man wird es nie kontrollieren können", fürchtet Richartz. "Diese Regelungen wären nur sinnvoll, wenn wir Fischer hätten, die sich an alle Regeln halten, und zudem robuste Fischbestände."

Die Fischereireform-Gespräche gehen übrigens demnächst in die heiße Phase - die Verhandlungen zum Fischereifonds. Die EU hat global die am stärksten subventionierte Flotte und gilt als dominante Fischmacht neben China. In der vergangenen Sieben-Jahres-Periode belief sich das Fisch-Budget auf 4,3 Milliarden Euro. Aufgrund der Kofinanzierung legten da die Mitgliedsländer noch mindestens die Hälfte drauf. Dazu kommen nationale Subventionen von Betrieben und Fabriken und indirekte Subventionen: Die kommerzielle Fischerei muss weltweit keine Steuern auf Sprit zahlen. "Die Subventionen in der EU werden gebraucht, da Fisch zu billig und Sprit zu teuer ist. Denn die neuen Fangmethoden, das ‚aktive Aussetzen‘ der Schleppnetze, benötigt ungemein viel Sprit", erklärt Richartz. "Es wäre alles viel billiger und einfacher, wenn man nur die Bestände sich erholen lässt. Dann bräuchte man die Subventionen nicht, und die Netze müssten nicht gegen Wasserwiderstand auf 500 Meter Tiefe ausgelegt werden, weil es weiter oben keinen Fisch mehr gibt."