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Frauenquote gegen Männerzote

Von Clemens Neuhold

Politik
Männerquote: Zu wenig Männer am Tisch? Kein Problem: EU-Männerquote macht’s wieder gut.
© fotalia

EU-Kommissarin Viviane Reding will Frauenquote in Aufsichtsräten durchboxen.


Wien. Der niederösterreichische Energieversorger EVN hat drei Geschäftsführer und 15 Aufsichtsräte - darunter eine Frau. Die Immofinanz hat vier Geschäftsführer, acht Aufsichtsräte - darunter eine Frau. Der Anlagenbauer Andritz hat fünf Geschäftsführer, acht Aufsichtsräte - darunter eine Frau. Die Liste der Männerbastionen in heimischen Chefetagen ließe sich fortsetzen. In allen Börse-Firmen zusammen ist jeder 30. Geschäftsführer und jeder neunte Aufsichtsrat weiblich, hat die Arbeiterkammer errechnet.

Men at work

Im EU-Vergleich ist Österreich damit weit abgeschlagen, Norwegen ist mit 46 Prozent Frauenanteil in Aufsichtsräten Spitzenreiter. Die EU-Kommission wünscht sich norwegische Verhältnisse für ganz Europa. Deswegen kämpft Justizkommissarin Vivian Reding für eine 40-Prozent-Quote in Aufsichtsräten von Börsefirmen.

Doch sie hat eine mächtige Gegnerin: die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die "Süddeutsche Zeitung" zitiert eine Anweisung, wonach Redings EU-weite Pläne zu stoppen sind - am besten mit einer Sperrminorität befreundeter EU-Partner.

Wie wird sich Österreich bei einer Abstimmung verhalten? Das kommt darauf an, wer sich durchsetzt. Das rote Herz schlägt für eine Frauenquote. Sowohl Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek als auch Sozialminister Rudolf Hundstorfer sind klar dafür. Aus dem Büro von Heinisch-Hosek heißt es: "Volle Unterstützung für Reding. Punkt. Aus." Heinisch-Hosek arbeitet mit der luxemburgischen Kommissarin eng zusammen. Aus dem Büro von Hundstorfer ist zu hören, der Minister habe Reding in einem informellen Gespräch Unterstützung versichert. Auch Bundeskanzler Werner Faymann scheint nicht abgeneigt: "Zufrieden bin ich erst, wenn mehr Frauen in Führungspositionen sind, nicht nur in staatlichen Betrieben", meinte er in einer Stellungnahme. Gegen die Quote ist die ÖVP.

Hauptberuf Aufsichtsrätin?

Die Sprecherin von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, Waltraud Kaserer, gibt zu bedenken: "In Norwegen, wo es seit Jahren eine Quote gibt, sitzen jetzt zwar mehr Frauen im Aufsichtsrat. Besetzt sind diese aber von wenigen Frauen, die gleich in mehreren Aufsichtsräten sitzen." In österreichischen Firmen, an denen der Staat beteiligt ist, gebe es bereits eine Frauenquote von 25 Prozent, sagt Kaserer. Mit 33 Prozent sei diese bereits überschritten.

Quoten-Allergie

Im staatsnahen Bereich zeigt die Quote offenbar Wirkung. Rein private Firmen will die ÖVP aber nicht verärgern, das würde ihr der eigene Wirtschaftsflügel nicht verzeihen. Dem sind staatliche Eingriffe in die Firmenpolitik ein rotes Tuch. Gesellschaftspolitische Veränderungen lassen sich gemäß einer liberalen Grundhaltung nicht vom Staat verordnen. In Deutschland ist die liberale FDP ebenfalls gegen die Frauenquote. Innerhalb der CDU kämpft allein Arbeitsministerin Ursula von der Leyen für die Quote. Der Parteikollegin von Angela Merkel genügt aber eine nationale und freiwillige Regelung.

Ein Kompromiss scheint dennoch möglich. Denn bei genauerem Hinsehen ist der Entwurf von Reding weniger ein Holzhammer als ein Wink mit dem Zaunpfahl.

Die 40 Prozent sollen nur für Firmen gelten, die an der Börse notieren, über 250 Mitarbeiter beschäftigen und über 50 Millionen Euro Jahresumsatz machen - in der heimischen Wirtschaft eine klare Minderheit. Außerdem sind keine Strafen bei Verletzung der Quote vorgesehen. Werden der Vorstand und der Aufsichtsrat gemeinsam ausgewiesen, darf die Quote auf 30 Prozent sinken. Und es soll Ausnahmen für Männerbranchen geben. Ein Beispiel ist die Voestalpine. Der Stahlproduzent müsste sich sonst für einen geschlechterneutralen Aufsichtsrat wohl sehr verbiegen. Derzeitiger Stand zwischen Männern und Frauen in Vorstand und Geschäftsführung: 17 zu 0.

Ein Dorn im Auge ist Mitterlehner außerdem der Passus, wonach Frauen bei gleicher Qualifikation bevorzugt werden sollen. Der wurde bereits abgeschwächt. Unter besonderen Umständen, wenn der Mann zum Beispiel Alleinerzieher ist, sollen Männer bevorzugt werden.

Im Fachjargon heißt die Quote gar nicht Frauenquote. Es sollen nicht alleine Frauen in die Aufsichtsräte einziehen, sondern das "unterrepräsentierte Geschlecht". Die EU-Richtlinie würde auch umgekehrt für Männer gelten. Neben der Frauenquote bereitet die EU also auch eine Männerquote vor.

Männerquote

Die Männerquote käme dann zum Tragen, wenn in einem Aufsichtsrat kaum Männer vertreten sind. Mit einem Höchststand von zwei von acht weiblichen Aufsichtsräten ist in Österreich selbst der Gender-Champion Wiener Städtische von einer Männer-Diskriminierung weit entfernt.

Heute, Freitag, wird zum 102. Mal der Internationale Frauentag begangen, er steht heuer unter dem Motto "Kampf gegen Gewalt an Frauen". UNO-Angaben zufolge sind ein Drittel aller Frauen weltweit mindestens einmal im Leben männlicher Gewalt ausgesetzt. Darüber hinaus sind 140 Millionen Frauen und Mädchen von den körperlichen und seelischen Folgen der weiblichen betroffen.

Die Einrichtung des Weltfrauentages geht auf eine Initiative der deutschen Feministin und Sozialistin Clara Zetkin bei der II. Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz im August 1910 in Kopenhagen zurück. Erstmals begangen wurde er am 19. März 1911 u. a. in Österreich-Ungarn.

Es waren zunächst die Sozialisten, die die Rechte der Frauen auf die Fahnen schrieben. Die Grundforderungen sind bis heute aktuell: gleicher Lohn für gleiche Arbeit, gleiche Bildungschancen, soziale Absicherung, politische Gleichberechtigung - und Weltfrieden.

www.arbeiterkammer.at