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Agrar-Deal scheidet die Geister

Von Martyna Czarnowska und Hermann Sileitsch

Politik

EU-Landwirtschaftsminister fixierten ihre Position für Verhandlungen mit EU-Parlament.


Brüssel. Grün und produktiv: So soll aus Sicht der EU-Kommission die europäische Landwirtschaft sein. Die Agrarpolitik gehöre jedenfalls reformiert, heißt es seit Jahren - und das nicht nur aus Brüssel. Doch über die Methoden haben EU-Kommission, EU-Parlament und die EU-Mitgliedstaaten unterschiedliche Auffassungen. Die Verhandlungen zwischen den drei Seiten sind denn auch noch nicht abgeschlossen; bis Sommer könnte es allerdings so weit sein.

Zumindest die Position der EU-Staaten haben nun die europäischen Landwirtschaftsminister nach stundenlangen Beratungen in Brüssel fixiert. Österreichs Vertreter Nikolaus Berlakovich zeigte sich mit dem Ergebnis zufrieden. Dieses berücksichtige sowohl die Produktion als auch den Umweltschutz. Genau diesem will die Kommission in ihren Vorschlägen besondere Aufmerksamkeit gewidmet wissen: Bestimmte Förderungen sollen an Ökologisierungsmaßnahmen geknüpft sein: "Greening" wird das genannt.

Dabei pochte Österreich darauf, dass schon bisher erbrachte Leistungen - etwa von Biobauern - anerkannt werden und daher auch künftig subventionswürdig sind. Umgekehrt sollte die Stilllegung von Flächen nicht verpflichtend sein. Zwar soll dies ab dem kommenden Jahr fünf Prozent des Ackerbodens betreffen, doch dürfen dort in dieser Zeit Eiweiß-haltige Pflanzen wie Soja oder Erbsen angebaut werden.

Aber bereits da zeichnen sich mögliche Streitlinien mit dem EU-Parlament ab, das seine Position in der Vorwoche abgestimmt hat. Die EU-Abgeordneten wollen nämlich keine Anerkennung bisheriger Umweltleistungen. Heftige Debatten könnte es ebenso über die Zuckerquoten geben. Während die Länder diese Form der Produktionsbegrenzung im Herbst 2017 auslaufen lassen wollen, wünschen sich die Mandatare die Beibehaltung der Quote bis 2020.

Doppelte Förderung?

Unterschiedlich sind die Meinungen auch in Österreich. Landwirtschaftskammer-Präsident Gerhard Wlodkowski freut sich darüber, dass die Minister Vorleistungen der Bauern anerkennen möchten. Die Arbeiterkammer hingegen kritisiert die "Doppelförderung". Diese sei abzulehnen, erklärt die zuständige Expertin Iris Strutzmann. Schon allein die Debatte zeige, wie wichtig Transparenz bei den Agrarsubventionen wäre. Es wäre wünschenswert, dass jeder landwirtschaftliche Betrieb die Angaben zu seinen Förderungen offenlege. EU-weit würden schließlich 80 Prozent der Direktzahlungen an nur 20 Prozent der Betriebe fließen, sagt Strutzmann: "Also nur an die Großbetriebe."

Unbestritten ist: Es geht um viel Geld. Die Agrarpolitik, deren zweite Säule neben den Direktzahlungen an Bauern die Entwicklung des ländlichen Raumes etwa mit ihren Umweltprogrammen bildet, beansprucht rund 40 Prozent des gemeinsamen Budgets. Für die Jahre 2014 bis 2020 sind für die Landwirtschaft Mittel in Höhe von mehr als 370 Milliarden Euro vorgesehen. Die Direktzahlungen - gänzlich aus dem EU-Haushalt finanziert - machen fast drei Viertel des Agraretats aus. Die österreichischen Landwirte profitieren allerdings in größerem Ausmaß von den Programmen für die ländliche Entwicklung. Dafür wird der Staat in der kommenden Finanzierungsperiode rund 3,6 Milliarden Euro erhalten. An diesen Förderungsstrukturen wird sich wohl so schnell nichts ändern - so wie generell die Reform der Agrarpolitik weniger tiefgreifend ausfällt, als es sich manche gewünscht hätten.

"Weniger Reformfreude"

"Als außenstehender Beobachter hat man den Eindruck, dass die Reformfreudigkeit geringer ist als noch vor zehn Jahren", sagt Agrarpolitik-Experte Franz Sinabell vom Wirtschaftsforschungsinstitut im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Die EU-Agrarpolitik mache zwar keinen Rückschritt, die Fortschritte seien aber nicht mehr so stark, wie sie sein könnten.

Sinabell erinnert daran, dass der Reformprozess und Kurswechsel der EU-Agrarpolitik maßgeblich vom österreichischen EU-Kommissar Franz Fischler 2002 initiiert (und 2005 umgesetzt) wurde. Damals sei es darum gegangen, Subventionen und Eingriffe in die Agrarmärkte abzubauen, wenn diese die Wettbewerbsfähigkeit verringern, Überschüsse produzieren und obendrein schädlich für die Umwelt sind. 2008 sei mit dem "Healthcheck" für die Agrarpolitik nachgebessert worden. Jetzt geht es in dieselbe Richtung - wenngleich nicht mehr ganz so ambitioniert.

Das vom rumänischen EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos vorangetriebene "Greening" sei eine interessante Komponente, konstatiert Sinabell. Bisher sei es bei den Direktzahlungen darum gegangen, Einbußen für die Bauern aus Preisrückgängen abzufedern. Jetzt wäre wegen der hohen Marktpreise für Agrarrohstoffe eigentlich kein Ausgleich nötig. "Böswillig könnte man sagen, es wurde ein ‚grünes Mascherl‘ erfunden. Oder man könnte ökonomisch argumentieren, dass es sinnvoll ist, wenn Umweltauflagen eine Übernutzung der Flächen verhindern. Das liegt im Ermessen des Betrachters."