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Strengere Regeln für Immobilienkredite

Von Martyna Czarnowska und Hermann Sileitsch

Politik

EU-weite Vorschriften für die Vergabe sollen die Verbraucherrechte stärken.


Brüssel/Wien. Ein Wohnungs- und Hauskredit für jeden - egal, ob er ihn zurückzahlen kann oder nicht. Solche Exzesse standen am Beginn der aktuellen Krise - vor allem in den USA, aber auch in Irland und Spanien führte das zu Immobilienblasen, die spektakulär implodiert sind. Mit fatalen Folgen. Damit soll künftig Schluss sein, befinden EU-Parlamentarier. Sie setzen sich für neue Regeln für Immobiliendarlehen ein, die einerseits mit strengeren Vorgaben die Qualität der Kreditvergabe steigern und andererseits den Verbraucherschutz stärken sollen. Eine erste Einigung dazu haben Vertreter des Parlaments, der EU-Kommission und der Mitgliedstaaten bereits erzielt. Noch müssen aber die gesamte Volksvertretung und alle Länder zustimmen.

Dass Irland, das derzeit den EU-Vorsitz innehat, die Gespräche rasch voranbringen will, hat gute Gründe: Gerade dort haben leichtfertige Kreditvergaben zur Krise des Finanzsystems stark beigetragen: Die Banken sind auf Darlehen in Höhe von Hunderten Milliarden Euro sitzen geblieben.

Aus für irreführende Zinsen

Es geht um einen Riesenmarkt mit beträchtlichen Risiken: Hypothekarkredite seien die größte finanzielle Verpflichtung, die europäische Familien üblicherweise eingehen - der Markt erreicht eine Größenordnung von mehr als 52 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung, sagte der Chefverhandler des EU-Parlaments, der Spanier Antolín Sánchez Presedo. Insgesamt 6,5 Billionen Euro ist der europäische Kreditmarkt für Immobilien insgesamt schwer.

Daher soll er nun stärker reguliert werden. So sollen Banken oder andere Kreditgeber genauer als bisher prüfen müssen, ob ihre Kunden die Kredite überhaupt zurückzahlen können. Sie selber sollen wiederum staatlicher Kontrolle unterworfen sein. Umgekehrt soll ihnen aber auch grenzüberschreitende Tätigkeit erleichtert werden, indem den Klienten bestimmte Informationen in der gesamten EU in einheitlicher Form übermittelt werden. Das soll gleichzeitig dem Schutz der Konsumenten dienen.

Ein "Bankenbeipackzettel"

Diese können künftig Immobilienkredite besser vergleichen - was der SPÖ-Europamandatar Josef Weidenholzer einen "Bankenbeipackzettel" nennt. Die Regelungen legen dem Finanzmarkt strengere Informationspflichten auf. Kosten aus Krediten in einer fremden Währung oder mit variablen Zinsen müssten also transparent dargestellt werden. Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament, weist darauf hin, dass bereits in der Werbung für Fremdwährungskredite sich ein Hinweis auf die Auswirkungen von Währungsschwankungen finden sollte. Die "verbrauchertäuschende Verwendung niedriger Zinsen in der Werbung" sollte damit beendet sein.

Ebenso soll es künftig leichter werden, einen Kredit noch vor der vereinbarten Zeit abzubezahlen - was Konsumenten bisher oft teurer zu stehen kam. Die Details sollen zwar die Länder selbst regeln können, doch Entschädigungszahlungen im Fall einer vorzeitigen Rückzahlung sollen wegfallen.

Kann ein Kunde umgekehrt ein Darlehen nicht bedienen, soll zu seinen Gunsten eine Lösung gesucht werden, um ihn vor weiterer Überschuldung zu bewahren. Eine Möglichkeit wäre, dass die Rückgabe der Immobilie die Tilgung des Kredits bedeuten würde - falls vorher so vereinbart.

Für Österreichs Kreditvergabepraxis erwartet Josef Schmidinger, Chef der S-Bausparkassen, keine gravierenden Konsequenzen: "Bei uns unterliegen Wohnimmobilienkredite ohnehin dem Verbraucherkreditgesetz." Deshalb seien viele Auflagen wie die Kreditfähigkeitsprüfung bereits penibel geregelt. Eine Neuerung könnte sein, dass die Bausparkassen die Grundbuchgebühr in den Effektivzins einrechnen müssten, sagt Schmidinger zur "Wiener Zeitung". "Dadurch hätten wir einen Nachteil, weil wir unsere Konditionen teurer darstellen müssten." Die hypothekarische Besicherung von Krediten sei indes höchst sinnvoll - weil diese eine Bedingung bei Bauspardarlehen ist, habe man hierbei weniger Spielraum als andere Banken.

Gegen den Gedanken von mehr grenzüberschreitendem Wettbewerb hat Schmidinger nichts einzuwenden - das liege in der Natur des Binnenmarktes. Große Konkurrenz befürchtet er freilich nicht: "Unsere Konditionen werden ausländische Anbieter nicht so interessant finden." Eine Besonderheit Österreichs liege darin, dass gut 90 Prozent der Kredite variabel und weniger als 10 Prozent mit Fixzinsen vereinbart sind. EU-weit seien 60 Prozent fix verzinst, so Schmidinger.

Ein klare Absage erteilt er dem Vorschlag, dass Verbraucher Kredite mit der Rückgabe der Immobilie "tilgen" können. Die in den USA übliche Praxis wird im EU-Papier als Möglichkeit erwähnt, wenn sich die Vertragspartner darauf einigen. Was wohl kaum vorkommen werde, sagt Schmidinger: "Schlüssel-Hypotheken brauchen wir in Europa nicht."

Drohen neue Gebühren?

Eher verhalten fällt das Urteil der Verbraucherschützer aus. "Allzu viel Positives sehe ich nicht", sagt Benedikta Rupprecht von der Arbeiterkammer. Sie befürchtet mögliche Probleme durch die abweichende Terminologie und den anderen Geltungsbereich von Österreichs Verbraucherkreditgesetz. "In der neuen EU-Richtlinie sind beispielsweise die Informationspflichten anders formuliert. Das lässt in der Praxis womöglich Fragen offen." So gebe es zwar in beiden Fassungen die Vorgabe, dass dem Konsumenten der Kredit angemessen erläutert werden müsse. In der EU-Richtlinie sei darüber hinaus aber die Rede von "zusätzlichen Beratungsleistungen". Das könnte unter Umständen dazu führen, dass Kreditgeber diese kostenpflichtig anbieten und dem Kunden neue Gebühren erwachsen. "Aus unserer Sicht geht die Beratung Hand in Hand mit dem Abschluss des Kredits und gehört zur Pflicht des Kreditgebers", sagt Rupprecht.

Eine echte Neuerung und Verbesserung gegenüber der derzeitigen Situation sieht sie im siebentägigen Rücktrittsrecht. Um Verbesserungen oder mögliche Verschlechterungen gegenüber der geltenden Gesetzeslage beurteilen zu können, müsse man aber den endgültigen EU-Text abwarten.