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Altes Spiel: neue Regierung

Von WZ-Korrespondentin Alexandra Mostyn

Politik

Auch Neuwahlen und eine Expertenregierung sind im Gespräch.


Prag. Tschechiens politische Zukunft steht in den Sternen. Mit dem Rücktritt von Premier Petr Necas, der wegen einer Abhöraffäre gegen seine Büroleiterin Jana Nagyova und Korruptionsvorwürfen abdankte, fiel auch die gesamte Regierung. Nun gibt es drei Möglichkeiten: ein neues Kabinett aus den drei bisherigen Regierungsparteien, Neuwahlen oder eine Expertenregierung.

Die Mitglieder der bisherigen Regierungskoalition aus Bürgerlichen Demokraten (ODS), der liberalen Top 09 von Karel Schwarzenberg und der Kleinpartei Lidem würden ihr Regierungsmandat gerne bis zu den nächsten regulären Wahlen im Mai 2014 weiter führen. Momentan suchen sie nach einem geeigneten Kandidaten für den Posten des Regierungschefs. Favorit der ODS ist der bisherige Industrieminister Martin Kuba.

Dem scheint die Top 09 allerdings weniger zugeneigt. "Ich wünsche mir einen Ministerpräsidenten, der die Parlamentarier zusammenschweißt, nicht einen, der sie trennt", sagte der Fraktionsvorsitzende der Top 09, Petr Gazdik. Einen Konsens werden die Parteien schnell finden müssen. Je länger sie zögern, desto stärker wird der Mann auf der Prager Burg.

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Präsident Milos Zeman gilt schon jetzt als der Gewinner der jüngsten Ereignisse. Schon gleich nach seiner Wahl im Jänner hatte Zeman erklärt, wie gerne er doch das Ende der Regierung Necas sehen würde. Jetzt, wo sein Wunsch sich erfüllt hat, wird Zeman verfassungsgemäß eine neue Regierung küren dürfen. Je schneller sich die Parteien entscheiden, desto weniger Spielraum wird Zeman hier haben.

Expertenregierung würde Zeman in die Hände spielen

Voraussetzung dafür ist aber, dass die neue Regierung problemlos die Zustimmung des Abgeordnetenhauses erhält. Die bisherigen Regierungsparteien haben seit 2012 keine sichere Mehrheit mehr. Sie müssen versuchen, noch mindestens einen Abgeordneten auf ihre Seite zu ziehen. Das mag nicht zu schwer sein, denn vor allem in der zweiten Kleinpartei, der Bewegung "Öffentliche Angelegenheiten" (VV) wollen einige Abgeordnete Neuwahlen verhindern, weil die Partei keine Chance hat, über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen.

Durch die schwierigen Mehrheitsverhältnisse sind Neuwahlen aber eine weitere Option. Genau diesen Weg würde die Opposition, also Sozialdemokraten (CSSD) und Kommunisten (KSCM), gerne gehen.

Denn Umfragen zufolge würde die CSSD die nächsten Wahlen bequem gewinnen. Die Kommunisten hingegen hoffen auf einen Stimmanteil, der sie nach den nächsten Wahlen zum Königsmacher wenn nicht gar zum Koalitionspartner einer sozialdemokratischen Regierung werden lässt.

Und dann gibt es noch einen dritten Weg, die in dem Nachbarland bereits erprobt wurde, nämlich eine Expertenregierung. Ein Kabinett aus Beamten und Spezialisten war in Tschechien schon zwei Mal an der Macht, um die Zeit zwischen dem Fall einer Regierung und regulären Wahlen zu überbrücken - zuletzt nach dem Misstrauensvotum, das 2009 die Regierung von Mirek Topolanek inmitten der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft beendete.

Die Expertenregierung ist wohl die bevorzugte Version von Präsident Zeman. Eine unpolitische, ungewählte und erfahrungsgemäß konfliktscheue Expertenregierung würde dem alten Politfuchs Zeman eine perfekte Gelegenheit geben, seine Machtbefugnisse auszuweiten. Und Kritiker werfen Zeman schon länger vor, dass er seine verfassungsmäßigen Vollmachten ausweiten will.

Der von Zeman immer wieder kritisierte Necas ist nun jedenfalls aus dem Spiel. Für einen Mann, der innerhalb einer Woche alles verloren hat, sah Necas fast unheimlich erleichtert aus, als er am Sonntagabend seinen Rücktritt bekannt gab: "Ich bin ein sehr kämpferischer Mensch, Sie alle wissen, wie viele politische Krisen ich in den letzten drei Jahren gemeistert, überlebt und ausgehalten habe. Aber ich bin mir des Augenblicks genau bewusst, von dem aus man nicht mehr weiter kann. Und dieser Augenblick ist jetzt", erklärte der konservative Politiker.

Polit-Turbulenzen wirken sich nicht auf Wirtschaft aus

Insgesamt hat die Regierung von Necas fünf Vertrauensabstimmungen in den drei Jahren ihres Bestehens überlebt. Gestrauchelt ist sie jetzt nicht über die unpopulären Haushaltskürzungen und Steuererhöhungen, sondern über eine pikante Affäre rund um die Büroleiterin von Necas, Jana Nagyova. Mit Hilfe des militärischen Geheimdienstes ließ Nagyova die Gattin von Necas, Radka Necasova, im vergangenen Jahr zehn Tage lang bespitzeln. Necas hat kürzlich seine Scheidung bekannt gegeben, er soll ein Verhältnis mit Nagyova haben. Diese sitzt jetzt in Haft, es drohen ihr fünf Jahre wegen Amtsmissbrauchs und Versuchs der Bestechung.

Auch Necas wird noch einiges zu erklären haben. Er gilt zwar als derjenige, der Polizei und Staatsanwaltschaft ein härteres Vorgehen gegen die allgegenwärtige Korruption im Land ermöglicht hat. Selbst aber hat er offenbar, via Büroleiterin Nagyova, drei Abgeordnete mit lukrativen Posten in staatlichen Firmen versorgt, damit diese seine Regierung nicht zu Fall bringen. Das, urteilte nun die Staatsanwaltschaft, erfülle den Tatbestand der Korruption.

Unberührt von den politischen Turbulenzen bleibt die tschechische Wirtschaft. Die Finanzmärkte haben nur minimal auf den Rücktritt von Necas reagiert. Das vorzeitige Ende einer Regierung ist in Tschechien nichts Ungewöhnliches. In der zwanzigjährigen Geschichte des Staates hat bislang nur eine Regierung, von 1998 bis 2002, die volle Legislaturperiode durchgehalten. Premier war damals übrigens Zeman, der sich mit dem damaligen ODS-Chef Vaclav Klaus im sogenannten Oppositionspakt die Macht im Land aufgeteilt hatte.