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Rechtes Aufwärmen für EU-Wahl

Von Alexander U. Mathé

Politik

Erste Sondierungen zur Nominierung eines Spitzenkandidaten sind bereits angelaufen.


Wien/Brüssel. Alles, was im konservativen Europa Rang und Namen hat, wird heute, Donnerstag, zu Gast in Wien erwartet. Die Europäische Volkspartei (EVP), die Sammelpartei christdemokratischer und konservativ-bürgerlicher Parteien aus der gesamten Europäischen Union, hält ihren Gipfel ab und die Liste der eingeladenen Partei-, Regierungs- und Staatschefs ist ebenso lang wie prominent. Im Vorfeld der Nationalratswahlen im September gibt das Vizekanzler und Außenminister Spindelegger und der ÖVP einen Anschub und hochkarätige Unterstützung für den anlaufenden Wahlkampf.

"Wir sind in eine starke Familie eingebettet. Das ist schon ein Zeichen, wenn die mächtigste Frau der Welt (die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, Anm.) oder der Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso zu uns kommen", sagte ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch gegenüber der "Wiener Zeitung".

Grundsätzlich gilt der Partei-Gipfel der Vorbereitung für den EU-Gipfel kommende Woche. Doch im Hintergrund rüstet man sich bereits für die Wahlen zum EU-Parlament, die im Frühjahr 2014 anstehen. "Wir arbeiten an einem gemeinsamen Wahlprogramm und diesmal wird es auch ein Gesicht dazu geben", so Rauch. Während bei den europäischen Sozialdemokraten Martin Schulz, der deutsche Präsident des EU-Parlaments, als Spitzenkandidat so gut wie sicher ist, sondiert man bei der EVP noch. "Die EVP wird einen eigenen Gipfel im Herbst veranstalten und dann im Frühjahr ein Nominierungstreffen, das wahrscheinlich in Irland stattfinden wird", erklärt Patrick Voller, Leiter des Internationalen Büros der ÖVP.

Namen kursieren zwar schon unter Experten - etwa die luxemburgische EU-Justizkommissarin Viviane Reding, ein anderer EU-Kommissar oder Polens Ministerpräsident Donald Tusk -, haben allerdings noch wenig Aussagekraft. Erste Weichen werden jedenfalls in Wien gestellt, wenn einander heute Abend die Generalsekretäre der EVP-Mitglieder treffen. Dort wird ein erstes Anforderungsprofil definiert. "Das wird jedenfalls in Richtung ehemaliger Regierungschef gehen", so Rauch. Die Bewerbung eines aktiven Regierungsmitglieds birgt gewisse Risiken, zumindest für den Kandidaten selbst: "Gewinnt dieser nicht, droht möglicherweise das Ende der politischen Karriere", formuliert es Voller.

Starke Unterschiede zwischen den Mitgliedern

Leicht wird es sicher nicht, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Ist doch die EVP ein Sammelbecken für Parteien sehr diverser Ausrichtungen. Wie groß die Unterschiede zwischen den Mitgliedsparteien in Europa generell sind, lässt schon ein Kuriosum erahnen: Ein Mitglied der EVP aus Portugal sind die Sozialdemokraten, die in ihrem Land aus historischen Gründen allerdings für konservative Politik stehen.

Dazu kommt, dass sich die Positionen auch ständig verschieben können. "Viel hängt vom Parteichef ab. Die Person ist oft auch Programm", erklärt ÖVP-Generalsekretär Rauch. Eine generelle Verschiebung in den letzten Jahrzehnten lässt sich jedoch konstatieren: Die klassisch christdemokratischen Parteien haben auf europäischer Ebene an Bedeutung verloren. Stattdessen werden konservative oder auch liberal eingestellte Parteien in der EVP immer wichtiger. Wobei: Angela Merkel führt als christdemokratische Kanzlerin das mächtigste Land der EU.

Die große Anzahl an Parteien bringt gegenüber den anderen europäischen Fraktionen einen klaren Mengenvorteil und beschert der EVP komfortable Mehrheiten. Allerdings birgt diese Diversität auch die Gefahr, dass die EVP daran zerbricht. Experten halten es für möglich, dass die Sammelbewegung schon bald in mehrere Blöcke zerfallen könnte. (Siehe nebenstehendes Interview.)

Gemeinsamer Nenner Soziale Marktwirtschaft

Bei der ÖVP sieht man die Spekulationen über Spaltungstendenzen als Feindpropaganda. "Die EVP ist eine große Familie. Spekulationen über eine Spaltung der EVP sind Wahlkampffloskeln. Sozialdemokraten oder Liberale versuchen hier, die Propaganda anzurühren", sagt Rauch.

Doch wo finden so viele so unterschiedliche Parteien einen gemeinsamen Nenner? "Die große Klammer sind der Lissabonvertrag und die Soziale Marktwirtschaft. Wobei wir als Österreicher natürlich gerne den Begriff Ökosoziale Marktwirtschaft mehr im europäischen Gebrauch hätten", erklärt Voller. Ganz in diesem Sinne stehen die geplanten Schwerpunkte der EVP für die kommenden EU-Wahlen: "Jobs, Wachstum, Bürokratieabbau und KMU" werden es Generalsekretär Rauch zufolge sein. "Aber wir können nicht Geld ausgeben, das wir nicht haben. Wachstum auf Pump, Politik, wie man sie beispielsweise in Frankreich beobachten kann, führt den Bach runter. Wir wollen mehr Wettbewerb, weniger Steuern und den freien Markt arbeiten lassen."

Doch wer bestimmt das, wer führt die Partei an? Bevor die Wahlen in Deutschland nicht geschlagen sind, werde nichts entschieden, heißt es. Verlieren CDU/CSU und sind nicht in der Regierung vertreten, so wäre dies ein empfindlicher Dämpfer für die EVP, die schon einen anderen schweren Schlag zu verkraften hatte: Frankreich.

Erstmals seit fast 20 Jahren stellt die konservative UMP nicht die Regierung. Dem nicht genug, schwelt seit dem Sieg des Sozialisten François Hollande ein erbitterter Kampf um die Nachfolge von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy an der Spitze der Partei. Sowohl Jean-François Copé als auch François Fillon können sich teilweise nicht einmal auf einen Modus einigen, wie der Chefsessel besetzt werden soll. Die französische Stimme ist in der europäischen Parteifamilie fast unhörbar leise geworden.

Achse Paris-Berlin durch Parteistreit zerschlagen

Dabei war gerade innerhalb der EVP die Achse Paris-Berlin tonangebend. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn auf den Einbruch der Franzosen noch der der Deutschen folgen würde. Noch dazu, wo eine dritte Großpartei die Parteifamilie bereits verlassen hat: Die britischen Konservativen - auch wenn die nicht direkt Mitglieder der EVP waren, sondern der Fraktion im Europaparlament. Nun fürchtet man, andere Parteien könnten dem Beispiel der Briten folgen und eigene Blöcke gründen.

Und noch ein weiterer Großer ist inzwischen abgeschlagen: Die italienische Popolo della Libertà von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi, die stets ein Garant für viele Sitze im Europäischen Parlament war, hat bei den letzten Wahlen starke Einbußen verzeichnet.

Umstände, die eigentlich dazu führen sollten, dass die Mitglieder der EVP noch enger zusammenrücken. Vielleicht gelingt das unter der Führung eines starken Spitzenkandidaten, der die Strömungen von christdemokratisch über konservativ bis hin zu liberal zusammenhält.