Zum Hauptinhalt springen

Zeman reizt Verfassung aus

Von WZ-Korrespondentin Alexandra Mostyn

Politik

Präsident will offenbar sich selbst mehr Macht sichern.


Prag. Tschechiens neue Regierung nimmt Form an. Der designierte Ministerpräsident Jiri Rusnok stellte sein sogenanntes Expertenkabinett vor. Was an ihm auffällt: Die meisten der neuen Minister pflegen ein Nahverhältnis zu Präsident Milos Zeman.

Da ist zum einem Jiri Rusnok selbst. Der Wirtschaftswissenschaftler war von 2001 bis 2002 Finanzminister in der Regierung, die Zeman einst unter Duldung der Opposition leitete. Der 53-Jährige steht der Mikropartei nahe, die Zeman vor ein paar Jahren gegründet und ganz unbescheiden, "Zemanisten" getauft hat. Rusnoks Regierung sei keine Expertenregierung, sondern "Zemans Kumpelkabinett", schimpft der bisherige Finanzminister Miroslav Kalousek. Denn etwa auch Innenminister Martin Pecina will für Zemans Partei kandidieren. Designierter Finanzminister ist Jan Fischer, der Zeman im Rennen um die Präsidentschaft noch unterlegen war und der wegen seiner Kampagne Schulden hatte. Doch am Dienstag gingen auf einem Spendenkonto Fischers laut Medienberichten zwei Millionen Kronen (rund 80.000 Euro) ein.

Mit Besorgnis blickt Tschechiens Zivilgesellschaft auf die Entwicklung, die einige klar als präsidialen Putsch bezeichnen. Zeman scheint - zumindest, solange er selbst im Amt ist - die Balance in der tschechischen Politik verschieben zu wollen. Dem Präsidenten soll mehr Macht auf Kosten des Parlaments zukommen.

Rusnok bittet um Mehrheit

Dafür testet er unter Berufung auf sein direktes Mandat - Zeman ist der erste tschechische Präsident, der vom Volk und nicht von Abgeordneten gewählt wurde - die Grenzen der Verfassung aus. Die gibt dem Präsidenten zwar die Vollmacht, den Premier zu ernennen. Ob die Väter der Verfassung aber damit gerechnet haben, dass ein Präsident einmal eine Regierung gegen Verfassungsgewohnheit und den Willen des Parlaments ernennen wird, ist fraglich.

Das Vertrauen des Parlaments wird das Zeman’sche Kabinett aber benötigen. Innerhalb der kommenden zwei Wochen will Rusnok im tschechischen Abgeordnetenhaus um die Zustimmung für seine Regierung bitten. Die wurde zwar gegen den Willen des Abgeordnetenhauses erstellt, das eine Mehrheit für die bisherige Mitte-Rechts-Regierung unter der Führung von Abgeordnetenhauspräsidentin Miroslava Nemcova von den Bürgerlichen Demokraten (ODS) hatte, die von Zeman einfach übergangen wurde.

Trotzdem könnte sich auch für Rusnok eine Mehrheit ausgehen. Denn im Abgeordnetenhaus gibt es genug Mitglieder, deren Parteien in den nächsten Wahlen nicht über die Fünf-Prozent-Hürde kommen werden und denen die Interims-Regierung wenigstens eine Job-Sicherheit bis zu den regulären Wahlen im Mai 2014 sichert.

Auch die ODS kann nur profitieren, wenn es nicht zu vorgezogenen Wahlen kommt: Im Lichte des Korruptions- und Abhörskandals um den zurückgetretenen Ex-Premier Petr Necas, der nun auch seine Immunität verlieren könnte, ist die Partei auf ein historisches Tief von etwa acht Prozent gesunken. Sie braucht Zeit, um sich davon zu erholen.

Sollte die Rusnok-Regierung aber nicht vom Abgeordnetenhaus bestätigt werden, wird dies der Lackmustest für Zeman sein. Die Verfassung schreibt ihm dann einen zweiten Versuch vor. Nicht aber den Zeitraum, in dem er diesen unternehmen muss. Theoretisch kann er sich also alle Zeit der Welt lassen aus.

Folgt nun Temelin-Ausbau?

Zeit lassen zum Beispiel, bis eines der größten und umstrittensten Projekte unter Dach und Fach ist: der Ausbau des AKW Temelin. Zeman ist ein eifriger Verfechter der Atomenergie. Wie auch die meisten Mitglieder seines "Kumpelkabinetts". Außenminister Jan Kohout zum Beispiel arbeitet für den halbstaatlichen Temelin-Betreiber CEZ, Innenminister Martin Pecina wiederum leitet die Firma Vitkovice Engineering, die im Rahmen des russisch-tschechischen Konsortiums MIR 1200 um den Temelin-Auftrag kämpft.

Sollte das tschechische Parlament nicht sein letztes Ass im Ärmel ausspielen und sich mithilfe einer Zweidrittelmehrheit selbst auflösen, so ist es durchaus möglich, dass eine Regierung ohne Mehrheit über den Temelin-Ausbau entscheiden wird. Die Entscheidung, ob die amerikanische Westinghouse oder das Konsortium MIR 1200, hinter dem die russische Atomstromexport steht, den Auftrag erhält, soll im Herbst fallen. Falls Zeman seine "Expertenregierung" bis dahin ohne Zustimmung des Abgeordnetenhauses weiter regieren lässt, dann wäre das allerdings Grund für eine Klage vor dem Verfassungsgericht, meint der tschechische Politologe Roman Joch.