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Wahlkampf als Ladenhüter

Von WZ-Korrespondent Michael Pöppl

Politik
Ohne Überraschungen: Die CDU präsentiert sich auf den Wahlplakaten als Verwalterin des Wohlstands. Und die Linkspartei wartet mit einem altbekannten Slogan auf: Revolution.
© Pöppl

Großparteien agieren ideenlos.


Berlin. Die Straßen sind belebt, Einheimische bevölkern überall aufgebaute Schanigärten, Touristen bahnen sich ihre Wege auf der Suche nach den neuesten scheinbar hippen Bars. Trotz hoher Arbeitslosigkeit und manchen von Tristesse geplagten Bezirken versprüht Berlin kreatives Durcheinander. So gar nicht ins Bild passen da die seit kurzem affichierten Plakate der Parteien für die Bundestagswahl in fünf Wochen: Mit "Gute Arbeit und neue Ideen. So bleibt Deutschland stark" wirbt die CDU um Wähler, "Wir - Für ein Alter ohne Armut" plakatieren die Sozialdemokraten. Kaum jemand bleibt länger an den konventionell gestrickten Plakaten hängen.

Nicht nur an Ideen fehlt es, auch das politische Personal samt Mitarbeitern befindet sich derzeit auf Tauchstation, vulgo parlamentarische Sommerpause. Lediglich die NSA-Abhöraffäre und die Ausflüchte von Angela Merkels Kanzleramtsminister Roland Pofalla vor dem Untersuchungsausschuss bringen etwas Bewegung in das politische Berlin. Sie bieten für die Opposition zwar Gelegenheit, Stellung gegen die schwarz-gelbe Regierung zu beziehen. Doch die Mehrheit der Bürger nimmt die Spähaktion achselzuckend zur Kenntnis.

War es das bereits mit dem Wahlkampf? "Im Moment fehlen die großen politischen Themen", sagt Richard Hilmer, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap. Erst im September werde die heiße Wahlkampfphase beginnen. Die Stimmungslage passt zum unaufgeregten Politikstil von Angela Merkel. "Einerseits herrscht in Deutschland ein Gefühl des Behütetseins, zum anderen verweigern sich Kanzlerin und Regierung aktuellen politischen Auseinandersetzungen", urteilt Hilmer.

Ähnlich analysiert auch der Politologe Peter Grottian von der Freien Universität Berlin: "Der Wähler will sanftmütige Veränderungen: ein bisschen mehr Ökologie, ein bisschen mehr Demokratie, ein bisschen mehr Gerechtigkeit. Dafür steht die Kanzlerin." Das momentane Desinteresse der Wähler und die Zurückhaltung der Medien hätten auch mit mangelnden Perspektiven bei SPD und Grünen zu tun, sagt Grottian.

Bei den Anhängern der Sozialdemokraten sei die Stimmung gedämpft, so der Politikwissenschafter: "Den meisten ist klar, dass man mit Peer Steinbrück die Wahl nicht gewinnen kann, an der Parteibasis herrscht Resignation." Als ob es nicht schlecht genug laufen würde, übt Ex-Parteichef Franz Müntefering nun auch öffentliche Kritik: Kanzlerkandidat Steinbrück sei zum Start der Kampagne "allein gelassen worden". Münteferings Attacke zielt auf den nunmehrigen Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel und Generalsekretärin Andrea Nahles - beide sind Kontrahenten Münteferings und alles andere als aktive Unterstützer Steinbrücks.

Erster Platz doch nicht fix?

Umfrage-Spezialist Hilmer denkt dennoch nicht, dass die CDU bereits als Siegerin feststeht, und widerspricht damit Politologen Grottian (siehe Interview). In den kommenden Wochen würden Themen wie Datensicherheit, Mietentwicklung, Steuergerechtigkeit und "subkutan auch die Eurodebatte" eine wichtigere Rolle spielen. Momentane Ereignisse könnten ebenfalls einen Gegentrend verstärken. Zudem geht Hilmer von einer höheren Wahlbeteiligung als 2009 aus; der historische Tiefstand von 70,8 Prozent werde mit Sicherheit übertroffen. Das könne den Ausgang der Abstimmung noch maßgeblich beeinflussen. Eine schwarz-grüne Koalition hält Richard Hilmer für denkbar, aber sehr unwahrscheinlich: "Innerhalb der CDU gibt es sicher Befürworter einer solchen Konstellation. Falls es zu Verhandlungen zwischen Schwarz und Grün kommen sollte, wird man sehr schnell merken, dass die Union aus CDU und CSU aus zwei durchaus verschiedenen Parteien besteht."