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Zwischen Ukraine und Russland droht ein Handelskrieg

Von Gerhard Lechner

Politik

Moskau will EU-Assoziierung Kiews mit allen Mitteln verhindern.


Kiew/Moskau. Es ist wohl ein Wink des Kremls Richtung Kiew - ein Wink mit dem Zaunpfahl: Seit Mitte vergangener Woche staut es sich an der russisch-ukrainischen Grenze. Die russischen Zollbehörden kontrollieren jede ukrainische Fracht auf dem Weg nach Russland; Lkw mit dem "UA"-Autokennzeichen müssen in der Regel ihre gesamte Ware entladen. Für die ukrainischen Firmen bedeutet das im besten Fall einen extremen Zeitverlust und damit hohe Kosten. Im schlechteren Fall aber auch eine Blockade des russischen Marktes: So wurde etwa bei Produkten des ukrainischen "Schokoladenkönigs" Petro Poroschenko wegen angeblich krebserregender Stoffe die Einfuhr verweigert.

Dass es dabei wirklich um den Schutz der russischen Bürger vor Krankheiten geht, glaubt offenbar auch in Moskau kaum jemand. Zu offen äußerte sich einer der Berater von Russlands Präsident Wladimir Putin kürzlich zu der Sache. "Wir rüsten uns für eine Verschärfung der Zollvorschriften, wenn sich die Ukraine diesen Selbstmordschritt zutraut und das Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnen sollte", sagte Sergej Glasjow. Moskau will die Ukraine unbedingt in seine Zollunion mit Weißrussland und Kasachstan locken.

Die Ukraine steuert aber Richtung Westen: In letzter Zeit sickern Informationen durch, dass Kiew und Brüssel fieberhaft an einer Lösung der total verfahrenen Situation arbeiten, die mit dem umstrittenen Urteil gegen Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko eingetreten ist. Die Oppositionschefin war zu sieben Jahren Haft verurteilt worden - die EU sieht darin ein politisch motiviertes Urteil und verweigert bis heute die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens. Nun soll angeblich dem ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch ein gesichtswahrender Ausstieg ermöglicht werden, indem er der rückenkranken Timoschenko zu Behandlungszwecken die Ausreise nach Berlin erlaubt. Das, so heißt es, würde von der EU als "humanitäre Geste" anerkannt - obwohl die Geste an den Defiziten des Landes im Justizbereich nichts ändern würde. Der Weg für die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens in Vilnius beim Gipfel mit den Ländern der "Östlichen Partnerschaft" im November wäre aber frei - und damit perspektivisch auch der Weg des Landes Richtung Westen. In Kiew bekennen sich Regierung wie Opposition zum Fernziel EU-Beitritt.

Wie die Ukraine eine solche Politik umsetzen soll, ist allerdings nicht ganz klar. Schon die Zollprobleme mit Russland seit dem 14. August sollen laut dem ukrainischen Arbeitgeberverband an die 2,5 Milliarden US-Dollar gekostet haben. Sollte sich Kiew wirklich für die Westintegration entscheiden, droht ein "richtiger" Handelskrieg mit Moskau - ein Krieg, für den die schwache, eng mit Russland verflochtene ukrainische Wirtschaft denkbar schlecht gerüstet ist.