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Die Presse im Fadenkreuz

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Britische Medien klagen über gezielte | Einschüchterungen im Fall Snowden.


London. Die britische Presse beginnt Alarm zu schlagen. Sie fühlt sich zunehmend von Polizei und Geheimdiensten unter Druck gesetzt, wenn es um die Veröffentlichung "heißer" Informationen zur Datenüberwachung britischer Bürger geht. Der Nationale Journalistenverband Großbritanniens warf den Behörden am Dienstag "groben Gesetzes-Missbrauch" vor, der jetzt auch den Schutz von Informanten gefährde. "Guardian"-Chefredakteur Alan Rusbridger sprach von einer "echten Bedrohung für die Pressearbeit". Die Londoner "Gesellschaft der Herausgeber" erklärte: "Journalismus mag ja peinlich oder unbequem für Regierungen sein. Aber Terrorismus ist er deswegen nicht."

Ein wenig bekanntes Anti-Terror-Gesetz hatte ja am Sonntag die britische Polizei in Anspruch genommen, als sie am Flughafen Heathrow den 28-jährigen Brasilianer David Miranda neun Stunden lang verhörte und sämtliche seiner elektronischen Geräte beschlagnahmte. Miranda ist der Lebensgefährte des "Guardian"-Kolumnisten Glenn Greenwald, der seit Anfang Juni dem Whistleblower Edward Snowden bei der Enthüllung der britischen und amerikanischen Schnüffelprogramme behilflich war.

Miranda lebt mit Greenwald in Rio de Janeiro. Gestoppt wurde er in London, auf dem Weg von Berlin nach Rio. In Berlin hatte er die US-Filmemacherin Laura Poitras (siehe Artikel links) besucht, die schon seit Wikileaks-Zeiten mit Greenwald zusammenarbeitet, und ebenfalls an den Snowden-Veröffentlichungen beteiligt war. Offenbar vermutete Scotland Yard, dass Greenwalds Partner neues Snowden-Material nach Rio schleuste oder sonst etwas Interessantes mit sich führte.

Man sei zu einer eingehenden Überprüfung Mirandas gezwungen gewesen, teilte die Polizei am Dienstag mit, weil man befürchten musste, dass der Brasilianer "gestohlene vertrauliche Informationen" mit sich führe, "die dem Terrorismus helfen könnten". Miranda und Greenwald sahen in dem Verhör dagegen reine Einschüchterung. Den Tipp, dass Miranda sich auf dem Flug befand, hatte die Polizei offenbar von Geheimdienst-Leuten erhalten. Diese informierten auch ihre Kollegen in den USA davon, dass man Miranda am Londoner Flughafen festhalten würde.

Empörte Opposition

Um den Gebrauch der Klausel 7, die eine bis zu neunstündige Anhaltung eines Durchreisenden ohne Angaben von Gründen ermöglicht, hat sich am Dienstag in London eine scharfe Kontroverse entwickelt. Bürgerrechtsverbände wie Amnesty International nannten den Gebrauch des Anti-Terror-Gesetzes zum Erhalt journalistischer Daten "widerrechtlich" und einen "Riesenskandal". Oppositions-Politiker verlangten zu wissen, wer das Verhör angeordnet hatte. Ein Sprecher David Camerons erklärte dazu, der Premierminister sei im Bilde gewesen, habe aber natürlich "keine Anweisungen gegeben". In Washington bestand man darauf, von der Aktion in Heathrow gewusst, sie freilich in keiner Weise initiiert zu haben.

Üble Einmischung in journalistische Arbeit warf am Dienstag auch "Guardian"-Chef Rusbridger Premier Cameron vor. Seiner Zeitung sei wochenlang von hohen Regierungsbeamten eine einstweilige Verfügung angedroht worden, nachdem der "Guardian" im Juni mit der Veröffentlichung der Snowden-Enthüllungen begann, berichtete Rusbridger. Entsprechende Drohungen, mit denen eine Rückgabe von Geheimdienst-Material verlangt wurde, seien übers Telefon aus No. 10 Downing Street gekommen. Letztlich hätten sich die Geheimdienstler aber damit begnügt, dass der Guardian Festplatten vernichtete, die die beanstandeten Daten enthielten.

Zu "einem der bizarrsten Momente in der langen Geschichte des ,Guardian‘" sei es dabei vor etwa einem Monat gekommen, als zwei Geheimdienst-Agenten in einem Kellerraum des Guardian die Vernichtung der Festplatten überwachten. Er habe, sagte Rusbridger, den beiden durchaus erklärt, dass es sich dabei "um ein besonders sinnloses Stück Symbolismus" handelte, weil die Daten längst auch woanders gespeichert waren. Der "Guardian" werde jedenfalls weiter Snowden-Enthüllungen publizieren: "Die Berichte werden einfach nicht länger aus London kommen." Auch die Beschlagnahme der Miranda-Geräte in Heathrow werde dem keinen Abbruch tun.