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Kali-Streit unter Brüdern

Von Gerhard Lechner

Politik
Die Hälfte des Weltmarkts für Kalisalz teilen sich Russland und Weißrussland - jetzt getrennt.
© reu

Weißrussland verhaftete russischen Top-Manager - jetzt droht ein Handelskonflikt.


Minsk/Moskau. Mit seinen "slawischen Bruderstaaten" hat Russland derzeit seine liebe Not: Während die Ukraine sich konsequent dem Liebeswerben Moskaus entzieht und ihr Heil in einer Anbindung an die Europäische Union sucht, macht jetzt auch der deutlich pflegeleichtere Partner Weißrussland Probleme. Ein aufsehenerregender Streit um die Verhaftung eines hochrangigen russischen Managers in Minsk droht sich zu einem handfesten Handelskrieg auszuwachsen.

Begonnen hatte alles Ende Juli, als der russische Konzern Uralkali überraschend aus dem Gemeinschaftsunternehmen BPC mit dem weißrussischen Staatskonzern Belaruskali ausstieg, da die Weißrussen begannen, Kali am vereinbarten Monopol vorbei zu verkaufen. Der Gemeinschaftskonzern hatte die Hälfte des lukrativen Weltmarkts für Kalisalz abgedeckt. Weißrusslands Führung wirft Uralkali-Chef Wladislaw Baumgertner vor, bei der Aufkündigung des Konsortiums sein Amt missbraucht und Weißrussland um 100 Millionen US-Dollar geschädigt zu haben. Nach dem Ausstieg der Russen war der lukrative Kali-Markt deutlich eingebrochen, der Uralkali-Chef soll dabei Insiderwissen zur eigenen Bereicherung missbraucht haben. Für Weißrusslands Wirtschaft ist der Kali-Markt extrem wichtig.

Baumgertner war am Montag zu Gesprächen über die verzwickte Angelegenheit in Minsk, auf Einladung von Weißrusslands Premierminister Michail Mjasnikowitsch - allzu viel hatte er in dem einstündigen Gespräch, in dem ihn Mjasnikowitsch scharf attackierte, freilich nicht erreicht. Auf dem Flughafen von Minsk, auf der vermeintlichen Rückreise, dürfte Baumgertner dann klar geworden sein, dass er in eine Falle getappt ist: Die Handschellen klickten, der russische Top-Manager wurde inhaftiert. Zwei Monate soll Baumgertner laut den Behörden in Minsk in Untersuchungshaft bleiben. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Der Kreml reagierte prompt - dass der hochverschuldete belarussische Bruderstaat, der mit billigen Energielieferungen aus Moskau am Leben erhalten wird, den Chef eines russischen Konzerns wie einen Schwerverbrecher vorführt, stieß nicht gerade auf Begeisterung. "Was geschehen ist, ist absolut inakzeptabel", sagte Vizepremier Igor Schuwalow. Die Situation sei "sonderbar, unangemessen und passe nicht zu einer Partnerschaft". Nun droht ein veritabler Handelskrieg: Russlands oberster Verbraucherschützer Gennadi Onischtschenko deutete bereits einen Boykott weißrussischer Waren an: Die Qualität weißrussischer Milchprodukte mache "große Sorgen". Und der russische staatliche Rohstoffkonzern Transneft kündigte an, die Öllieferungen nach Weißrussland im September um ein Viertel zu drosseln. Der offiziell angegebene Grund: Transneft müsse alte Pipelines ersetzen, da sonst Gefahr für die Umwelt bestünde.

"Baumgertner eine Geisel"

Dass der russisch-belarussische Bruderzwist aber zu einem ernsthaften Bruch in den traditionell engen Beziehungen zwischen Moskau und Minsk führen könnte - Weißrussland ist Mitglied in Russlands eurasischer Zollunion und kooperiert auch militärisch eng mit dem Kreml - , glaubt Osteuropa-Experte Hans-Georg Heinrich nicht: "Es ist zwar ungewöhnlich, dass ein Manager verhaftet wird, im Grunde geht es aber nur um ein Rittern um Wirtschaftsbelange", sagte der Politologe der "Wiener Zeitung". Baumgertner hätte darin "die Funktion einer Geisel - Weißrussland kann beispielsweise sagen, wir lassen ihn frei, wenn ihr uns Handelsvorteile gewährt."

Allzu weit darf sich Minsk dabei freilich nicht aus dem Fenster lehnen. Schließlich fehlt dem vom russischen Markt total abhängigen Land durch die autoritäre Politik Präsident Alexander Lukaschenkos jegliche europäische Alternative zu Moskau - wer in dem Konflikt auf dem längeren Ast sitzt, dürfte klar sein.