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Getrübte Goldgräber-Stimmung

Von WZ-Korrespondentin Lilo Millitz-Stoica

Politik

Widerstand gegen umweltgefährdendes Goldförderprojekt in Rosia Montana in Westrumänien wächst.


Bukarest. Die Doppelmoral des rumänischen Premiers Victor Ponta könnte ihn letztlich teuer zu stehen kommen: Erstmals seit der Machtübernahme vor eineinhalb Jahren sieht sich seine Regierung nämlich mit massiven Straßenprotesten konfrontiert, nachdem sie dem umstrittenen Goldprojekt Rosia Montana grünes Licht gab. Bisher hatte Ponta jahrelang gegen den Goldtagebau in den Westkarpaten gewettert und im April 2012 sogar die bürgerliche Vorgängerregierung per Misstrauensvotum zu just dieser Frage gestürzt.

Mit dem Proteststurm dieser Tage dürfte der Sozialist angesichts der üblichen Politverdrossenheit der Rumänen kaum gerechnet haben: In Bukarest fordern seit Sonntag allabendlich tausende Menschen den Stopp der Goldgewinnung, die laut Regierung "spätestens im November 2016" beginnen soll - und den Rücktritt der Regierung. Auch in anderen Großstädten gehen derzeit die Massen auf die Straße, um gegen den frisch abgesegneten Goldabbau im Zyanid-Verfahren zu protestieren.

Ob die Demonstrationen zu einem Flächenbrand werden, ist noch nicht abzusehen. Laut Meinungsumfragen befürworten - nach massiven PR-Kampagnen - immerhin stolze 68 Prozent der Rumänen die Goldgewinnung in Rosia Montana.

Dass die rumänischen Westkarpaten Edelmetallvorkommen aufweisen, wussten schon die alten Römer, die bei Rosia Montana bereits vor 2000 Jahren Bergbau betrieben. 1997 wurde die siebenbürgische Ortschaft von der kanadischen Mining Company Gabriel Resources aufgekauft - die Gold- und Silbervorkommen vor Ort gelten immerhin als die größten in Europa. Da die Goldflitter im Erz nach jahrhundelanger Gewinnung aber nur noch mikroskopisch klein sind, müssen nun ganze Berge weggesprengt und zig Millionen Tonnen Erz durch hochgiftige Blausäure ausgelaugt werden.

Dank unermüdlicher Verhandlungen, horrender Medienetats und permanenter Werbekampagnen konnte das Bergbauunternehmen Rosia Montana Gold Corporation (RMGC) über die Jahre sowohl einen Großteil der verarmten Bewohner als auch Behörden vom Nutzen des Fördervorhabens überzeugen. Die Langzeitarbeitslosen vor Ort hoffen verzweifelt auf Arbeitsplätze, die Regierung indes auf einen Geldregen: Sie verspricht sich zusätzliche Staatseinnahmen von etwa 2,3 Milliarden Dollar.

Staat hält 25 Prozent

Ponta erläuterte vergangene Woche, dass seine Verordnung alle Genehmigungsetappen bis zum Start der Förderarbeiten im Spätherbst 2016 festlege. Auch habe man nach zähen Verhandlungen mit den Kanadiern das Stammkapital der staatlichen Minengesellschaft Minvest am Konsortium RMGC auf 25 und deren Förderabgaben auf sechs Prozent erhöhen können; dem Staat sei zudem das Recht auf eine Auszahlung "in natura" eingeräumt worden. Seinerseits habe sich der kanadische Investor zur Einhaltung strikter Umweltschutzmaßnahmen, Pflege des bestehenden Kulturerbes und Förderung einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung der Region verpflichtet, so Ponta.

Allzu wohl in seiner Haut schien sich der Premier dabei jedoch nicht zu fühlen: Tags darauf kündigte er an, als Abgeordneter im Parlament gegen die Verordnung seines Kabinetts stimmen zu wollen - offenbar frei nach Goethes "zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust". Der bürgerliche Präsident Traian Basescu bezeichnete Pontas Beschluss, das Parlament für ihn die Kastanien aus dem Feuer holen zu lassen, als "feige", und schloss ein landesweites Referendum in der Causa Rosia Montana nicht aus - sofern erwünscht, werde er es umgehend einleiten, ließ Basescu wissen. Der Ministerpräsident meinte daraufhin erstaunlich kleinlaut, die Referendumsidee sei eine "durchaus gute".

Illustre Investorengruppe

Wirtschaftsanalysten beanstanden vermehrt die als wenig lupenrein empfundenen Hauptinvestoren der RMGC - Hedgefonds-Manager Paul Johnson, Diamantentycoon Benny Steinmetz, der Now Yorker Milliardär Thomas Kaplan und die Newmont Mining Corp. Dass auch Österreichs Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer im "Corporate Governance Committee" der Gabriel Resources sitzt, beschwichtigt die Analysten nicht.

Das umstrittene Goldprojekt steht seit mehr als 13 Jahren unter Dauerbeschuss der Medien und Zivilgesellschaft. Umwelt- und Kulturschützer laufen Sturm gegen die mit dem geplanten Goldtagebau verbundene Zerstörung römischen Kulturguts und der Natur; die Rumänische Akademie der Wissenschaften zerriss das Projekt in einer Resolution. Wie der ungleiche Kampf zwischen Zivilgesellschaft einerseits und Investoren samt Behörden andererseits ausgeht, ist derzeit noch unklar - ein Rückzieher der Regierung scheint zumindest nicht ausgeschlossen. Jedenfalls haben die mehr als 40 unter dem Dachverband "Save Rosia Montana" agierenden NGOs es geschafft, eine starke zivilgesellschaftliche Protestbewegung zu etablieren. Das kriegt diese Tage auch Regierungschef Victor Ponta deutlich zu spüren.