Hinter uns liegen 15 Jahre Verhandlungsmarathon. Anfang Juni hat Brüssel das gemeinsame europäische Asylsystem bewilligt. Das neu geschnürte Asylgesetzpaket beinhaltet eine neue Verfahrens- und Aufnahmerichtlinie sowie die zum zweiten Mal überarbeitete Dublin-Verordnung. Die Regelungen, die bereits informell zwischen Parlament und Rat vereinbart wurden und die Zustimmung der EU-Regierungen haben, werden voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2015 zur Anwendung kommen. Die Dublin-Verordnung III zu Überstellungen von Asylbewerbern wird sechs Monate nach Inkrafttreten wirksam, also Anfang 2014.
Ziel: Lücken stopfen
Eine Vereinheitlichung der Asylpolitik auf EU-Ebene hatte vor allem eines zum Ziel: Die Lücken im Reglement und vor allem die unterschiedliche Umsetzung europäischer Staaten zu stopfen. Man könnte nun sagen, es sei zu früh, um von signifikanten positiven Entwicklungen zu sprechen. Aber wie sieht es mit der Bereitschaft zu europaweit homogenen Lösungen aus?
Denn die EU-Richtlinien wollen trotz einheitlicher Kriterien und Verordnungen in der Praxis nicht so richtig greifen. Zum Beispiel bei den verbindlichen Rechten für Asylwerber, sagt Christoph Pinter vom UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) in Wien im Gespräch mit der Wiener Zeitung.
Zwar sei die Rechtsberatung nun gesetzlich verankert und müsse nicht wie bisher von NGOs oder dem Flüchtlingsfonds gestellt werden. "In der Praxis aber", bemängelt der UNCR-Leiter, "fehlt die beratende Unterstützung im erstinstanzlichen Verfahren, also beim ersten Ansuchen. Die erhalten sie erst nach dem ersten negativen Bescheid". Wieso Asylsuchende nicht vor dem Erstantrag einen Rechtsbeistand bekommen? Pinters Antwort: "Das sehen die EU-Richtlinien so vor."
Kritik
Auch die österreichische Asylpolitik hat reichlich Verbesserungspotenzial. Kritik kommt besonders von der Caritas. Die Hilfsorganisation fordert eine Vereinfachung des Asylverfahrens, einheitliche Bestimmungen zur Rechtsberatung und Grundversorgung sowie Zugang zu Sprachkursen und Arbeitsmarkt. Eine entsprechende Debatte werde jedoch weitgehend ausgeblendet. Stattdessen stehe Asylmissbrauch und Kriminalität im Vordergrund, kritisiert Pinter.
"Jedes Asylverfahren wird als Einzelfall entschieden", sagt der Leiter des UNHCR-Büros Österreich im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Man habe sich für eine adäquate rechtliche Vertretung der Flüchtlinge eingesetzt. "Das österreichische Asylrecht", so Pinter, "ist zwar ein solides Asylsystem". Im Europavergleich sei es jenem in Deutschland, Frankreich und Großbritannien ähnlich. Handlungsbedarf gebe es aber noch reichlich: Etwa bei der viel zu komplexen Rechtslage und den Zugangsregelungen zum Arbeitsmarkt. In Österreich können Asylsuchende drei Monate nach einem positiven Bescheid arbeiten, auch wenn die Jobmöglichkeiten sehr eingeschränkt. Dies bedeutet, dass sie nur (zeitlich auf maximal sechs Wochen beschränkte und nicht verlängerbare) Erntearbeit bzw. (auf sechs Monate befristete verlängerbare) Saisonarbeit ausüben können.