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Ausland soll zum Inland werden

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Brüsseler Behörde will Aufwand für Konsumenten schon 2014 weiter senken.


Brüssel. Knappe zehn Cent: Wer über einen belgischen Telefonanbieter eine Kurznachricht verschickt, muss dafür im Ausland oft weniger bezahlen als in Belgien selbst. Denn im Laufe der letzten Jahre sind auf Druck der EU-Kommission die Roaming-Kosten massiv gesenkt worden. Und geht es nach der Brüsseler Behörde, sollen Konsumenten schon bald gar keinen Preisunterschied sehen - ob sie in ihrem eigenen oder einem ausländischen Mobilfunknetz innerhalb der Union telefonieren und SMS versenden.

Bisher verlangten die Firmen für die Weiterleitung dieser Gespräche Roaming-Gebühren. Deren letzte Reduktion mussten sie erst in diesem Sommer hinnehmen, und im kommenden Jahr wird es eine weitere geben. Ab da sollen für empfangene Handygespräche gar keine zusätzlichen Kosten mehr anfallen. 2016 könnten dann Telefonate im In- und Ausland überhaupt gleich viel kosten. Das soll jedenfalls für Gespräche im Festnetz gelten.

Solch einen Vorschlag hat die für den digitalen Markt zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes ihren Kommissionskollegen präsentiert; diese sollen ihn am morgigen Donnerstag annehmen. Es geht dabei um ein umfassendes Reformpaket zur Schaffung eines gemeinsamen Telekommarktes, der Unternehmen grenzüberschreitendes Arbeiten erleichtern und Europa wettbewerbsfähiger machen soll.

So sollen Mobilfunkbetreiber zu mehr Kooperation gedrängt werden. Ab Sommer des kommenden Jahres sollen sie bis zum Jahr 2016 einen gewissen Kundenstock im Großteil der EU-Staaten aufgebaut haben. Geht es nach den Plänen der Kommission, würden die Firmen in diesem Verbund dann keinen - in Roaming-Gebühren sichtbaren - Unterschied mehr zwischen ihren Klienten im In- und Ausland machen. Die Behörde hofft dabei auf marktübliche Preisregulierung.

Die Telekomindustrie hat die Vorschläge scharf kritisiert. Schon zuvor habe es lange Zeit bis zu einer Einigung auf die Reduzierung der Roaming-Kosten gedauert - und just zu dem Zeitpunkt, als die Vereinbarung umgesetzt werde, "haut die Kommission wieder rein", sagt ein Vertreter der österreichischen Branche. Kaum hätten die Unternehmen die gesunkenen Einkünfte in ihren längerfristigen Geschäftsplänen berücksichtigt, müssten sie wegen des Wegfalls der Gebühren neue Kalkulationen anstellen. Gleichzeitig würde das Geld für die nötige Infrastruktur - auf deren Ausbau die Kommission ebenfalls pocht - knapper werden. Unklar ist noch, ob sich die Firmen die entgangenen Einnahmen nicht auf anderen Wegen zurückholen, etwa durch generell höhere Tarife. Skeptiker sind jedoch nicht nur in Industriekreisen zu finden. Auch einige Staaten sträuben sich gegen die neuen Vorschriften wegen ihrer eigenen Beteiligung an den Telekomunternehmen.

Überholspur im Netz

Das sind aber nicht die einzigen Ideen von Kroes, die für Kontroversen sorgen. Eine Debatte gibt es ebenfalls über Vorschläge zur Internetnutzung. So sieht ein Gesetzesentwurf vor, dass es künftig eine Überholspur im Netz geben soll, auf der Betreiber bestimmte Daten schneller als andere übermitteln und dafür zusätzliche Gebühren verlangen können. Davon würden wohl vor allem große Konzerne profitieren. Kritiker sehen darin einen Grundsatz verletzt, der Netzneutralität garantieren soll. Das bedeutet die Gleichbehandlung aller Daten, unabhängig von der Zahlungsbereitschaft des Absenders.

Einwände gegen die Pläne soll es sogar in der Kommission selbst geben, die neben den Interessen der Konsumenten auch jene der Industrie vertritt. Die Debatte darüber ist noch nicht abgeschlossen. Die Annahme der Vorschläge, ursprünglich für den heutigen Mittwoch angesetzt, wurde jedenfalls um einen Tag verschoben.

Danach müssen aber auch noch die Länder zustimmen. Dabei könnten einige versuchen, die Pläne abzuschwächen, indem sie etwa auf eine Verlängerung der Fristen pochen. Das EU-Parlament, wo es ebenso ein Votum geben wird, könnte auf schärfere Regeln bestehen. Im nahenden EU-Wahlkampf könnten die Mandatare dann argumentieren, dass sie sich für stärkeren Verbraucherschutz eingesetzt hatten.