Zum Hauptinhalt springen

Die neue Macht der Angela Merkel

Von Thomas Seifert

Politik

Angela Merkel hat fulminant gesiegt - ihre CDU/CSU-FDP-Koalition aber verloren.


Berlin/Wien. Ein beispielloser Wahlsieg für Angela Merkel, sie wandelt auf den Spuren von Konrad Adenauer und Helmut Kohl und steht vor einer dritten Amtszeit als Kanzlerin. Doch wie es ihrer Natur entspricht, tritt sie nicht triumphalistisch vor ihre Anhänger und die Kameras, sondern sagt, man werde verantwortungsbewusst mit dem überzeugenden Wählervotum umzugehen. Dann fügte sie verschmitzt hinzu: "Feiern dürfen wir heute schon. Das ist ein super Ergebnis."

Laut den Hochrechnungen von ARD und ZDF haben die Christdemokraten stark zugelegt und 42,3 Prozent der Stimmen (2009: 33,8 Prozent) geholt.

Kanzlerin Merkel hat für ihre Partei zwar einen fulminanten Wahlsieg eingefahren, doch ihr kommt der bisherige Koalitionspartner FDP abhanden: Die FDP liegt bei nur noch rund 4,5 Prozent und scheitert somit an der 5-Prozent-Hürde. Sie wäre damit das erste Mal seit 1949 nicht mehr im Bundestag vertreten. "Das ist eine schwere Stunde für die FDP. Als Spitzenkandidat übernehme ich dafür Verantwortung", sagte Fraktionschef Rainer Brüderle.

Die Wahlbeteiligung ist im Vergleich zu 2009 gestiegen: Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben der Sender ARD und ZDF mit 72 bis 73 leicht höher als 2009 mit 70,8 Prozent.

Große Koalition erwünscht?

Nun kommt die Regierungsbildung auf die Kanzlerin zu. Merkel hat ja auf eine Fortsetzung der CDU/CSU-FDP-Koalition gehofft, nun muss sie versuchen, eine Koalition mit den Grünen oder mit der SPD zu bilden. Optimisten in der Union hofften am späten Abend auf die absolute Mandatsmehrheit - in diesem Fall würde die SPD nicht als Partner zur Verfügung stehen.

Die deutschen Wählerinnen und Wähler sagen in allen Umfragen, dass sie eine große Koalition präferieren würden. Die Sozialdemokraten mit Kanzlerkandidat Peer Steinbrück landeten mit 25,7 Prozent auf dem zweiten Platz.

"Wir hätten uns auf Bundesebene natürlich einen höheren Zuwachs gewünscht", sagte die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles am Sonntagabend im ZDF. Die CDU habe die Wahl gewonnen. Die SPD hatte ja auf Rot-Grün gehofft, doch dafür reichte es nicht zuletzt aufgrund der bescheidenen Zugewinne für die SPD (+2,7 Prozent) und dem schwachen Abschneiden der Grünen (-2,6 Prozent) bei weitem nicht. Eine große Koalition hätte eine Mehrheit in der Länderkammer (Bundesrat) und einen höheren Grad an Schlagkraft als die bisherige CDU/CSU-FDP-Koalition, die immer wieder vom Bundesrat blockiert wurde.

Stichwort: Einigkeit

Das erste Wort der deutschen Nationalhymne lautet nicht umsonst "Einigkeit". Deutschland ist eine Konsensdemokratie, in kaum einer anderen Verfassung gibt es eine derartige Fülle von Checks und Balances: mit einer mächtigen Länderkammer im Parlament, einem selbstbewussten Bundesverfassungsgericht und einer starken föderalen Struktur. Das Wahlrecht zwingt ebenfalls zum Konsens: Das Land wurde nach dem Zweiten Weltkrieg immer nur kurze Zeit von Minderheitsregierungen oder einer Alleinregierung geführt (1960-1961 führte Bundeskanzler Konrad Adenauer die einzige Alleinregierung an). Konsens, das wollten die Alliierten nach 1945. Die Wiedervereinigung der beiden Teile Deutschlands führte dazu, dass Deutschland noch stärker in der damaligen Europäischen Gemeinschaft verankert werden sollte.

Deutschland ist die Wirtschaftslokomotive auf dem Kontinent und findet sich in der Führungsrolle in der Europäischen Union wieder. Doch im Wahlkampf wurden weder der Euro (außer von der Euro-kritischen Partei Alternative für Deutschland) noch Deutschlands Rolle in der Union debattiert. Und selbst als Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Ende August die Notwendigkeit eines dritten Hilfspakets für Griechenland ansprach, fielen die Reaktionen eher gelassen aus. Deutschlands oberstes Ziel: Stabilität.

Neben dem Debakel für die FDP war das unerwartet gute Abschneiden der Euro-kritischen "Alternative für Deutschland" (rund 5 Prozent) das bestimmende Thema des Wahlabends in Berlin.