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Eine Frage des Vertrauens

Von Andrea Möchel

Wirtschaft

Wie das Arbeiten im Home Office funktionieren kann.


Wien. "Wir müssen ein Yahoo sein, und das beginnt damit, dass wir physisch zusammen sind." Mit dieser Order ihrer Chefin Marissa Mayer wurden die Telearbeiter des Internetkonzerns vor einem Jahr aus dem Home Office zurück in die Firmenzentrale geholt. Andere folgten diesem Beispiel, und das Konzept des Home Office wird seither immer öfter in Zweifel gezogen. Zu Unrecht, wie ein Forschungsprojekt der Technischen Universität (TU) Wien zeigt.

Den Begriff "Arbeit" neu denken

"Flexibles Arbeiten vom eigenen Wohnzimmer aus kann in gewissen Branchen sehr gut funktionieren. Entscheidend für den Erfolg ist neben einer entsprechenden Organisations- und Führungskultur das optimale Zusammenspiel aus Kontrolle und Vertrauen", sagt Martina Hartner-Tiefenthaler vom Institut für Managementwissenschaften der TU Wien. Wesentlich sei auch, den Begriff Arbeit grundsätzlich neu zu denken. "Dabei beschränken sich neue, flexible Arbeitsformen nicht nur auf das Arbeiten zu Hause, sondern umfassen auch neue Bürokonzepte, zum Beispiel ohne fixen Arbeitsplatz für jeden Mitarbeiter", erklärt Hartner-Tiefenthaler, die für das Projekt Online-Befragungen und Interviews in drei Wiener Unternehmen durchgeführt hat.

Damit flexibles Arbeiten eine Chance auf Erfolg hat, ist vor allem die Chefetage gefragt. Hier muss die Führungskultur passen, was aber oft nicht der Fall ist. "In vielen Unternehmen herrscht die Kultur, dass jene, die viel und lange anwesend sind, auch als Leistungsträger betrachtet werden", sagt Sabine Köszegi, Leiterin des Instituts für Managementwissenschaften. "Die Vorgesetzten sind an eine Anwesenheitskultur gewöhnt. Durch die geringere Anwesenheit der Mitarbeiter sind sie gefordert, klarer zu kommunizieren, Ziele zu vereinbaren und Leistungsfeedback zu geben."

Wer mit dem Kontrollverlust nicht umgehen kann, hat Möglichkeiten, die Mitarbeiter auch aus der Ferne zu "überwachen", etwa durch das Speichern von Log-in-Daten oder den GPS-Koordinaten des Firmenhandys. "Solche Maßnahmen haben aber einen schwerwiegenden Nebeneffekt: Sie beschädigen das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer", warnt Hartner-Tiefenthaler.

Eine weitere Kontrollmöglichkeit ist, die Leistung der Mitarbeiter zu bewerten. Dabei zählt ausschließlich, wie zuverlässig und gut man seine Arbeit erledigt. Voraussetzung ist, dass man in Berufen arbeitet, bei denen man Ergebnisse leicht messen, Ziele klar formulieren und die Arbeit selbstverantwortlich erledigen kann. "Diese Form der Ergebniskontrolle ist ein klares Signal des Vertrauens", betonen die Forscherinnen. "Sie setzt aber Führungskräfte voraus, die bereit sind, Aufgaben wirklich zu delegieren."

Und dann gibt es noch jene Mitarbeiter, die sich mit ihrem Unternehmen vollauf identifizieren. Bei ihnen erübrigt sich jede Kontrolle von außen. "Diese Form von normativer Kontrolle ist in Professionen, die eine stark verankerte Berufsethik haben, wie zum Beispiel in der Wissenschaft, gang und gäbe. Wer dagegen verstößt, wird von der Gruppe ausgeschlossen", weiß Köszegi. "Allerdings ist diese Form der Kontrolle auch am schwierigsten umzusetzen."

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor beim flexiblen Arbeiten ist eine funktionierende Kommunikationskultur auch und gerade mit jenen Mitarbeitern, die extern werken. Denn: Persönliches Vertrauen entsteht nicht zuletzt durch Gespräche abseits der Arbeitsthemen. "Unsere Untersuchungen zeigen, dass auch in flexibleren Arbeitsumgebungen Raum für diese Art von informeller Kommunikation geschaffen werden kann", sagt Martina Hartner-Tiefenthaler. Hier können Videokonferenzen ebenso helfen wie Chat-Tools, die sich besonders gut für schnelle, informelle Kontaktaufnahme eignen.

Experten warnen vor doppeltem Stress

Die größte Herausforderung für Home Worker ist und bleibt freilich die Selbstdisziplin. Das betrifft nicht nur die verlässliche Erledigung des täglichen Arbeitspensums, sondern auch die Einhaltung von Pausen. Hier warnen Experten immer wieder vor doppeltem Stress im Home Office. "In der Wissenschaft nennt man das Boundary Management. Es beschreibt die Abgrenzung zwischen Privat- und Berufsleben, das bei flexiblem Arbeiten eine Herausforderung sein kann", bestätigt Köszegi. "Tatsächlich besteht die Gefahr, dass man das Gefühl bekommt, man müsste permanent erreichbar sein, und das erhöht natürlich den Stress. Deshalb ist es wichtig, auch zu Hause Pausen einzuhalten und Arbeitszeit und Freizeit klar zu trennen."