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Zum Stillstand verdammt

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Der Krampf mit der Steuerreform zeigt, warum die Republik dringend ein ganz anderes Wahlrecht bräuchte.


Man muss nicht zwingend ein zu düsterer Melancholie neigender Pessimist sein, um zu ahnen, dass die kommende Steuerreform jetzt nicht wirklich ein ganz gewaltiger großer Wurf werden wird. Als Grund für dieses mutmaßlich eher beschauliche Ergebnis gilt bei den meisten kundigen Beobachtern eine Art Blockadepolitik beider Regierungsparteien den Interessen des Partners gegenüber, verbunden mit einer besonders robust ausgeprägten Neigung zum Klientelismus und einer gewissen Unlust oder Unfähigkeit, das Gesamtinteresse ausreichend im Auge zu behalten.

All das wird nicht ganz falsch sein, ignoriert aber einen ebenso einfachen wie zentralen Umstand: dass nämlich zwei annähernd gleich starke Parteien, die in wirtschaftspolitischen Causen doch recht antagonistischen Denkschulen angehören, sich genau deshalb extrem schwer tun müssen, eine Steuerreform auf den Weg zu bringen, die elegant, wirksam und für alle von Vorteil ist. Wenn etwa eine Partei Erbschaftssteuern für wünschenswert hält und die andere sie ablehnt, dann ist eine Einigung naturgemäß nur schwer denkbar; und das gilt im Großen und Ganzen für die meisten strittigen Punkte der Steuerreform.

Natürlich sind Kompromisse zwischen unterschiedlichen ökonomischen Weltanschauungen möglich; sie führen freilich in der Regel eben dazu, dass nicht der große Wurf, sondern der kleinste gemeinsame Nenner das Ergebnis ist. Und der ist meistens, wie könnte es anders sein, überschaubar beeindruckend.

Das gleiche Phänomen war in den Jahrzehnten fast ununterbrochener großer Koalitionen ja regelmäßig bei anderen wirtschaftspolitischen Agenden zu beobachten: Weil keine Seite die andere dominieren kann, ist ein Zustand permanenter Blockade die Folge. Der Stillstand wird - von wenigen Ausnahmen abgesehen - zum Regelfall, richtige Reformen werden zur absoluten Ausnahme. Das endlose und im Ergebnis eher ärmliche Gezerre um die in der früheren ÖIAG zusammengefassten staatlichen Unternehmensbeteiligungen belegt das genauso plastisch wie die Dauerbaustellen Pensionsreform und Gesundheitswesen.

Erzwungen wird dieser Stillstand in letzter Konsequenz vom Design des hiesigen politischen Systems, das aufgrund des Verhältniswahlrechtes eine Alleinregierung einer Partei nahezu unmöglich macht und damit in der Praxis bisher eine an sich unnatürliche Koalition zweier weltanschaulich recht unterschiedlicher Parteien herbeigeführt hat.

Jene lähmende Reformunfähigkeit, die wie Blei über dem Land liegt, ist nicht zuletzt diesem Wahlrecht geschuldet, das historisch gewisse Verdienst haben mag, aber fast ein Jahrhundert nach dem letzten österreichischen Bürgerkrieg mehr Teil des Problems denn der Lösung geworden ist. Ohne eine Reform des Wahlrechtes hin zu einem Mehrheitswahlrecht, das dem Wahlsieger die Möglichkeit einräumt, allein oder wenigstens nur mit einem Juniorpartner zu regieren, werden wir deshalb wohl kaum noch zu unseren Lebzeiten einer Steuerreform teilhaftig werden, die tatsächlich ein großer Wurf ist.

Ein solches Mehrheitswahlrecht zu beschließen, birgt für beide Koalitionsparteien freilich naturgemäß das 50:50-Risiko, in der Opposition zu landen. Schon allein deshalb wird es wohl nie eingeführt werden.