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Eine Frage des Geldes

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Ein wenig beachteter Grund dafür, dass es Europas sozialdemokratischen Parteien nicht gerade brüllend gut geht, ist staatlicher Geldmangel.


Sollte Christian Kern gelegentlich mit dem Schicksal hadern, das Kanzleramt hinter sich, eine ungewisse Zukunft vor sich und eine eher lädierte Partei um sich zu haben, kann er sich wenigstens mit einem Blick auf den Zustand der sozialdemokratischen oder sozialistischen Schwesterparteien in Europa ein wenig trösten. Mit den historisch besehen eher bescheidenen rund
27 Prozent, welche die SPÖ derzeit in den meisten Umfragen plus/minus ausweist, liegt Kerns Partei da nämlich vergleichsweise gar nicht so schlecht.

In Schweden, einem bis in die Gene durch und durch sozialdemokratischen Land, schnitten die Genossen jüngst ja auch nicht viel besser ab. Die deutsche SPD kann überhaupt gerade noch 16 Prozent der Wähler für sich begeistern und droht gar hinter die AfD zu fallen; in Italien errang der vergleichbare Partito Democratico (PD) zuletzt gerade noch 19 Prozent, und in Frankreich wurden die Sozialisten bei den vergangenen Wahlen überhaupt nahezu vernichtet. Die traditionellen Parteien der linken Mitte scheinen in ihrer Existenz mittlerweile gefährdet zu sein wie seltene afrikanische Nashornarten.

Als Grund dafür wurde, besonders in jüngster Zeit, die bisher für alle diese Parteien charakteristische Haltung in der Migrationspolitik diagnostiziert. Entgegen einer immer klarer sichtbar werdenden Abneigung breiter Mehrheiten des Elektorates gegen offene Grenzen und Zuwanderung aus der islamischen Welt haben sozialdemokratische Parteien genau dies allzu lange verteidigt oder gar aktiv betrieben. Die Serienniederlagen der Roten aller Schattierungen ist in dieser Analyse gleichsam der Preis, der eben für diese törichte Politik zu bezahlen ist.

Das ist auch sicher nicht falsch. Genauso wie der Befund, die Sozialdemokratie habe sich zu Tode gesiegt, weil alle ihre Ziele weitgehend verwirklicht sind. Dies blendet aber einen anderen Faktor aus, der möglicherweise genauso wirksam ist, aber kaum beachtet wird: Sozialdemokraten sind historisch immer dann erfolgreich, wenn sie bestehende Sozialleistungen ausbauen oder noch besser neue einführen können, die ihren Zielgruppen zugutekommen, wie der Aufstieg der deutschen wie der österreichischen Roten ab den 1970ern zeigt. Mit einer Pensionsreform, einer Budgetsanierung oder so etwas wie Hartz IV hingegen gewinnen Sozialdemokraten in der Regel keinen Blumentopf; ganz im Gegenteil. Grundvoraussetzung für neue Sozialleistungen aber ist Geld, und das nicht zu knapp.

Knapp aber ist Geld - zumindest relativ betrachtet - spätestens in den vergangenen zehn Jahren geworden, weil immer klarer wurde, dass staatlicher Verschuldung Grenzen gesetzt sind, siehe Griechenland oder Italien. In alter sozialdemokratischer Tradition Wohlstand auf Pump zu kreieren, geht nicht mehr so einfach wie früher. Gleichzeitig hat auch die Steuerbelastung die Grenzen des Zumutbaren schon weit hinter sich gelassen. Damit wurde der Sozialdemokratie ein Teil ihrer politischen Geschäftsgrundlage und damit die Basis vieler ihrer Erfolge entzogen. Und wenn einem gleichzeitig das Gespür dafür ausgeht, wie die einfachen Menschen etwa in der Migrationsfrage ticken, sind 27 Prozent Marktanteil eigentlich eh recht respektabel.