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Hürdenreicher Weg zur Partnerschaft

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Handelsabkommen mit Georgien und Moldawien vor der Unterzeichnung.


Brüssel. Diese Mitteilung hätten sie lieber nicht verfassen lassen. In dem Papier, das die Präsidenten von EU-Kommission und -Rat veröffentlichten, klingt nämlich Jose Manuel Barrosos und Herman Van Rompuys Bedauern durch. Denkbar knapp vor dem EU-Gipfel in Vilnius, der am Donnerstag beginnt, mussten sie darlegen, dass sie eine Annäherung der Ukraine an die Union zwar für den besten Weg halten, die Entscheidung Kiews aber respektieren. Das will zunächst einmal abwarten - und sich nicht von Russland abwenden.

Mit noch mehr Zähneknirschen mussten das die Litauer zur Kenntnis nehmen. Sie haben derzeit den EU-Vorsitz inne, und das Gipfeltreffen der östlichen Partnerschaft in ihrer Hauptstadt hätte der Höhepunkt dieses halben Jahres werden sollen. Der wichtigste Teil davon wiederum wäre eben die Unterzeichnung eines umfassenden Handelsabkommens mit der Ukraine gewesen. Das entfällt nun. Dennoch reagierte ein litauischer Diplomat in der Vorwoche unwirsch auf kurzlebige Spekulationen, dass das Treffen abgesagt werden könnte. "Kommt nicht in Frage", hieß es. "Wir haben in Vilnius auch andere wichtige Dinge zu erledigen."

Das hat der Wirbel um den Schwenk in Kiew in den Hintergrund gedrängt. Dabei will die EU im Rahmen der östlichen Partnerschaft nicht nur ein engeres Verhältnis zur Ukraine aufbauen, sondern auch zu fünf weiteren Staaten, die noch vor einem Vierteljahrhundert Teil der Sowjetunion waren. Weißrussland und Moldawien sowie die Südkaukasus-Republiken Georgien, Armenien und Aserbaidschan sollen ebenfalls näher an die Union rücken.

Dabei geht es nicht nur um Handelsbeziehungen. Ein Ziel der Europäer ist es ebenso, demokratische Standards zu stärken. Daher sollen die Zivilgesellschaft und Nichtregierungsorganisationen eingebunden werden. Und für die andere Seite ist noch etwas anderes von besonderem Interesse: Reiseerleichterungen bei Fahrten in die EU. Visaliberalisierungen wünschen sich alle sechs Staaten. In Sichtweite ist das allerdings nur für Moldawien: Schon bald will die EU-Kommission einen Vorschlag zur Aufhebung der Visumpflicht für Besitzer biometrischer Pässe machen.

Ringen um Einfluss

Damit enden aber auch die Gemeinsamkeiten. Denn die sechs Länder haben unterschiedliche Vorstellungen von ihrer Anbindung an die Union, und nicht alle sind bereit, den Europäern auf diesem Weg weit entgegen zu kommen. Unterschiedlich ist auch der Grad der Abhängigkeit von Russland - sowie der Probleme mit dem mächtigen Nachbarn, selbst wenn es keine direkte Grenze gibt, wie im Fall Moldawiens. Dennoch, und das ist den Staaten wieder gemein, müssen sie auf die eine oder andere Weise ihr Verhältnis zu Moskau regeln.

So ist das Tauziehen um die östliche Partnerschaft auch ein Ringen zwischen der EU und Russland um Einfluss in der Region. Der Kreml kann dabei nicht nur wirtschaftlich Druck ausüben, sondern auch militärisch. Gleich in mehreren Ländern sind russische Truppen präsent: in der von Moldawien abtrünnigen selbst erklärten Republik Transnistrien ebenso wie in den Provinzen Abchasien und Südossetien, über die Georgien nach dem Konflikt 2008 die Kontrolle verloren hat. In Armenien wiederum gilt Russland als Schutzmacht im Zwist um Enklave Berg Karabach, die das benachbarte Aserbaidschan für sich beansprucht.

Eriwan hat sich denn auch zunächst einmal für engere Zusammenarbeit mit Moskau entschieden: Armenien will der Zollunion beitreten, die Russland mit Weißrussland und Kasachstan bildet. Das aber schließt für die Staaten ein Handelsabkommen mit der EU aus. Mit Aserbaidschan kann ein solches derzeit ebenso wenig ausgearbeitet werden, aus anderen Gründen: Das Land ist noch kein Mitglied der Welthandelsorganisation WTO. An einer engen Anbindung an die EU scheint es jedoch sowieso wenig interessiert. Baku stärkt lieber seine eigene Position in der Region und kooperiert etwa eng mit der Türkei.

Bleiben also noch Georgien und Moldawien, mit denen die EU Verträge abschließen kann. Die Abkommen, die eine Freihandelszone etablieren sollen, werden beim Treffen in Vilnius parafiert. Innerhalb eines Jahres sollen sie unterschrieben werden.

Trotz der Enttäuschung über die Ukraine betonen EU-Politiker daher die Wichtigkeit der östlichen Partnerschaft, die auf eine Initiative Polens und Schwedens zurückgeht. Anders als beim ersten Gipfeltreffen 2009 ist nun beim dritten die Teilnehmerliste auch voller Namen von Staats- und Regierungschefs. Österreich ist ebenfalls mit Bundeskanzler Werner Faymann vertreten. Doch auch aus der Ukraine reist ein Spitzenpolitiker an: Präsident Wiktor Janukowitsch selbst.