Zum Hauptinhalt springen

Berlusconis Glück und Ende

Von WZ-Korrespondent Julius Müller-Meiningen

Politik

Vierfacher Regierungschef fürchtet jetzt Festnahme - Ermittlungen laufen.


Rom. Es weht ein Hauch 90er Jahre über dem Zentrum Roms. Videoleinwände sind aufgestellt, auf denen Bilder eines strahlenden Politikers in seinen besten Jahren zu sehen sind. Fahnen in den italienischen Nationalfarben Grün-Weiß-Rot und mit der Aufschrift "Forza Italia" wehen auf den Straßen. Es ist wie damals 1994: Eine sogenannte Hymne der Freiheit säuselt aus den aufgestellten Lautsprechern. Doch diesmal sind die Menschen nicht zum Feiern gekommen.

Die Demonstranten haben sich Aufkleber auf die dicken Winterjacken geklebt mit den Worten "Esercito di Silvio", das Heer Silvios. Sie haben sich versammelt, um sich gegen das politische Ende ihres Helden zu stemmen. Am Mittwochabend kurz vor 18 Uhr ist es dann so weit. Mit klarer Mehrheit verfügt der italienische Senat den Ausschluss Silvio Berlusconis. Es ist das Ende der parlamentarischen Karriere des umstrittenen viermaligen italienischen Ministerpräsidenten.

Der 77-Jährige war Anfang August zu vier Jahren Haft wegen Steuerbetrugs bei Filmgeschäften mit seiner Firma Mediaset verurteilt worden. Ein Gesetz, das die Berlusconi-Partei 2011 selbst unterschrieb, sieht den Ausschluss von Straftätern aus dem Parlament vor. Sprechchöre hallen durch die Via del Plebiscito, die italienische Nationalhymne wird gespielt. Hier hat Silvio Berlusconi seine römische Privatresidenz, hier stehen die Demonstranten auf der Straße. Die Polizei lässt am Nachmittag ein Transparent mit der Aufschrift "Staatsstreich" entfernen. So nennt auch Fraktionschef Paolo Romani das Prozedere im wenige hundert Meter entfernten Palazzo Madama, dem Sitz des Senats. "Ich bin heute gekommen, um gegen die Diktatur der Richter zu demonstrieren", sagt eine Frau, die aus Neapel angereist ist. "Das hier ist nicht das Ende Silvios, sondern das Ende der Demokratie in Italien." Mit 300 Bussen sollten seine Anhänger vor allem aus Süditalien für den Protest angekarrt werden.

Nachdem er die Bühne vor seiner Residenz betreten hat, sagt auch ein angeschlagen wirkender Silvio Berlusconi: "Das ist ein bitterer und trauriger Tag für die Demokratie." Dann wettert er gegen die italienische Justiz, die 57 Prozesse gegen ihn geführt hätte. "Wenn die Linke nicht an der Macht ist, tun die Richter alles, um sie wieder an die Macht zu bringen." Berlusconi kündigt an, seine Partei künftig auch ohne Parlamentsmandat zu führen.

Zahllose Vorwürfe

Luigi Zanda, Fraktionschef der Mitte-Links-Partei PD im Senat, kritisierte die Demonstration: "Die Trennung von Justiz und Exekutive ist ein eindeutiges Kennzeichen westlicher Demokratien." Berlusconi nahm am Abend weder an der Debatte noch an der Abstimmung über seinen Ausschluss im Senat teil. Erniedrigende Szenen wie die Verweisung aus dem Saal infolge seines Ausschlusses wollte sich der 77 Jahre alte Unternehmer offenbar ersparen. Am Abend wollte er Rom in Richtung Mailand verlassen. Auch ein zunächst für den Abend in einer Talkshow des Staatsfernsehens geplanter Auftritt wurde abgesagt. Sein Leibarzt Alberto Zangrillo und seine Kinder hätten Berlusconi von der Teilnahme abgeraten. Was der viermalige Ex-Premier anscheinend besonders fürchtet, ist der Verlust seiner Abgeordneten-Immunität. Mehrere Staatsanwaltschaften ermitteln gegen Berlusconi, der offenbar mit seiner Festnahme rechnet.

Berlusconi wird unter anderem die Bestechung eines Senatoren vorgeworfen, den er mit drei Millionen Euro im Jahr 2008 aus dem Regierungslager in die Opposition gelockt haben soll. Außerdem geht der sogenannte Ruby-Prozess in die nächste Instanz, im Juni wurde Berlusconi wegen Amtsmissbrauchs und Prostitution Minderjähriger zu sieben Jahren Haft verurteilt. Zudem droht ihm ein neues Verfahren in diesem Zusammenhang, weil Staatsanwälte überzeugt sind, dass Berlusconi ein Dutzend Zeuginnen im Fall Ruby zur Falschaussage gedrängt haben soll.

Bereits am Vortag war Berlusconis Partei "Forza Italia" aus der Regierungskoalition aus- und in das Oppositionslager übergetreten. Ministerpräsident Enrico Letta hatte eine Vertrauensabstimmung über das Haushaltsgesetz anberaumt und gewonnen. Die Abgeordneten der "Forza Italia" stimmten gegen die Regierung. Die Regierung Letta kann jedoch weiter im Amt bleiben, weil sie immer noch über eine ausreichende Mehrheit verfügt. Innenminister Alfano war vor Wochen mit rund 60 Parlamentariern im Streit mit Berlusconi aus dessen Partei geschieden. Anlass war der Ausschluss Berlusconis aus dem Senat.