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Janukowitsch trotzt der Revolte

Von Gerhard Lechner

Politik

Während das Land in der Krise steckt, brach der Präsident nach China auf.


Kiew. "Business as usual" in der Ukraine? Während in der krisengeschüttelten Ex-Sowjetrepublik am Dnjepr Hunderttausende gegen Präsident Wiktor Janukowitsch und seine Regierung demonstrieren, zeigt sich der Staatschef von den Protesten unbeeindruckt. Janukowitsch will trotz der verfahrenen Lage in Kiew, der teilweise gewalttätigen Ausschreitungen und Polizeieinsätze sowie der Blockade des Regierungsviertels mit Autos, Bussen und Barrikaden den Eindruck erwecken, er habe die Lage vollständig im Griff. Der Präsident brach am Dienstag zu seinem lang geplanten Besuch nach China auf. Auf dem Rückflug soll noch in Moskau Halt gemacht werden. Es wird um die ukrainische Überlebensfrage gehen: um Kredite und Investitionen für das in einer tiefen Wirtschaftskrise steckende Land. Im kommenden Jahr muss das Land irgendwie und vor allem irgendwo 17 Milliarden Dollar auftreiben, um Gasrechnungen zu begleichen und Schulden zurückzuzahlen.

Immerhin: Zumindest der russische Gasriese Gazprom zeigte sich am Dienstag gegenüber Kiew kulant und gewährte dem ukrainischen Staatskonzern Naftogas einen Zahlungsaufschub. Ob Janukowitsch bei seinem Zwischenstopp in Moskau bei Russlands Präsidenten Wladimir Putin dann auch noch die politische Bombe platzen lässt, ist offen. Eine Präsentation umfangreicher Abkommen mit Moskau - die es vermutlich aber ohnehin noch nicht gibt - würde die Stimmung auf dem Maidan, dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew, dem Treffpunkt der Demonstranten, zusätzlich anheizen. Der Präsident aus der prorussischen Ostukraine hätte dann wenigstens im prowestlichen Lager endgültig den Status eines Landesverräters inne. Der wütende Protest gegen den Mann aus dem Donezbecken könnte dann endgültig aus dem Ruder laufen.

Janukowitsch will Proteste gegen ihn aussitzen

Einstweilen sieht es aber so aus, als könnte Janukowitsch mit seiner offenkundigen Strategie, die Proteste gegen ihn auszusitzen, Erfolg haben: In der Werchowna Rada, dem Parlament in Kiew, ist am Dienstag ein Misstrauensvotum gegen die Regierung von Ministerpräsident Mykola Asarow, einem engen politischen Weggefährten Janukowitschs, klar gescheitert. Nur 186 der 450 Abgeordneten votierten für den Antrag der prowestlichen Opposition, die aus der Partei "Vaterland" der inhaftierten Janukowitsch-Rivalin Julia Timoschenko, der Gruppierung "Udar" (Schlag) von Boxweltmeister Vitali Klitschko und der nationalistischen Partei "Swoboda" (Freiheit) besteht. Am Montag hatte ein Parlamentsausschuss noch den Abgang des umstrittenen Premiers, dem schon lange Amtsmüdigkeit nachgesagt wird, empfohlen. Trotz vereinzelter Austritte aus der regierenden "Partei der Regionen" (PdR) hielt die Mehrheit aus PdR und Kommunisten dem Druck der Opposition stand. Tausende prowestliche Demonstranten belagerten während der Sitzung das Parlamentsgebäude. Asarow gab sich in der Rada versöhnlich. "Ich möchte Sie im Namen der Regierung um Verzeihung bitten für das Vorgehen der Sicherheitskräfte auf dem Unabhängigkeitsplatz", sagte er.

Der Premier kündigte wegen der Vorfälle am Wochenende eine Regierungsumbildung an. Dass die Furcht vor einer neuen Orangen Revolution dem Janukowitsch-Lager immer noch im Nacken sitzt, wurde dann aber doch klar: "Wir reichen Euch die Hand, aber bremst die Aufrührer, die die Macht übernehmen und das Szenario von 2004 wiederholen wollen", erklärte Asarow. Damals wurde mit Massenprotesten und unter Beteiligung von Vermittlern aus der EU die Neuaustragung der zuvor offenbar zugunsten von Janukowitsch manipulierten Präsidentenwahlen erzwungen. Auch diesmal will Europa in der verfahrenen Lage zwischen den Konfliktparteien vermitteln: Thorbjörn Jagland, der Generalsekretär des Europarats, trifft am Mittwoch in Kiew Asarow und Vertreter aller politischen Parteien.