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EU bremst South Stream

Von Veronika Eschbacher

Politik

Brüssel erwartet von Transitländern Neuverhandlungen mit Russland.


Brüssel. Wenn das nur kein Unglück bringt, würde der zur Abergläubigkeit neigende Russe sagen. Am Mittwoch war eine weitere Auslandsvertretung des russischen Gasriesen Gazprom eröffnet worden - die dreizehnte, und zwar ausgerechnet in Brüssel. Der Festakt war hochkarätig besetzt, Gazprom-Vize Alexander Medwedew reiste mit dem russischen Vize-Minister für Energie, Anatolij Janowskij, an. Die Herren kamen in der Hoffnung, ein wenig Stimmung für Gazprom zu machen, und hatten unter anderem Zugeständnisse an die EU-Kommission im Gepäck, um eine Lösung in einem seit einem Jahr laufenden Kartellverfahren zu finden (und einer milliardenschweren Kartellstrafe zu entgehen). Vor dem EU-Parlament hielt Medwedew zudem eine engagierte Rede über die russisch-europäischen Gasbeziehungen, die seit ihrem Beginn 1969 "zwei Ölschocks, drei Golfkriege und den Fall des Eisernen Vorhangs gesehen hätten, mit einer einzigen bemerkenswerten Lieferunterbrechung im Jahr 2009." Medwedew wurde nicht müde, alle Vorteile aufzuzählen, die Europa durch die von Gazprom initiierte Gaspipeline South Stream zugute kämen, die unter Umgehung der Ukraine ab 2015 Gas nach Europa liefern soll.

Geholfen haben die Anstrengungen offenbar aber nicht. Am Donnerstag gab Marlene Holzer, Sprecherin des EU-Energie-Kommissars, Günther Oettinger, bekannt, dass nach Ansicht der Kommission die bilateralen Abkommen, die Russland mit den Transitländern (Bulgarien, Ungarn, Griechenland, Slowenien, Kroatien, Serbien und Österreich) zur Errichtung von South Stream abgeschlossen hatte, EU-Recht widersprechen.

In den bilateralen Vereinbarungen seien "Schlüsselprinzipien" der EU nicht berücksichtigt. Die Kommission beanstandet die fehlende Trennung zwischen Energieversorger und Netzbetreiber (Ownership Unbundling) sowie den fehlenden Zugang von Dritten (Third Party Access) - die Pipeline müsse auch offen für deutsche, französische und andere Gas-Konzerne sein. Überdies widerspreche die Preisgestaltung für die Verwendung der Pipeline EU-Recht.

Die Kommission erwarte daher von den Transitländern, dass mit Moskau neu verhandelt werde. Für den Fall, dass Russland dem nicht zustimmt, ersuche die Kommission die EU-Staaten, die Abkommen nicht anzuwenden. Andernfalls könnte die EU-Behörde Vertragsverletzungsverfahren gegen die betroffenen Länder starten. "Wir werden nicht den Bau der Pipeline stoppen", sagte Sprecherin Marlene Holzner. Entscheidend sei der Beginn der Inbetriebnahme des Projekts. Dann müssten alle Bestimmungen mit EU-Recht im Einklang stehen.

Experte: "Politisch motiviert"

"Das ist eine politische Entscheidung, die mit Energiesicherheit wenig zu tun hat", sagt Gerhard Mangott, Energieexperte der Uni Innsbruck zur "Wiener Zeitung". Die von der EU angetriebene Transadriatische Pipeline (TAP) hat beim Ownership Unbundling und beim Third Party Access Ausnahmen erhalten - obwohl die Firmen Statoil, BP und Total Produzenten sowie Eigentümer der Leitung sind. "Ich sehe hier eine Erklärungsnot bei der Europäischen Kommission, wie man zu einer solch unterschiedlichen Argumentation kommt", sagt Mangott. Es sei zudem fraglich, ob es aus europäischer Sicht sinnvoll ist, dieses Projekt zu blockieren - immerhin gefährde South Stream kein bestehendes europäisches Projekt, sondern bietet die Möglichkeit, Gas über eine moderne Pipeline zu transportieren und nicht über das störungsanfällige ukrainische Netz.

Gazprom selber wollte gegenüber der "Wiener Zeitung" noch keine Angaben machen, ob man Neuverhandlungen zustimmt. Der russische Vize-Energieminister Janowskij argumentierte, dass auf South Stream, da die Pipeline nicht in Europa beginne und auch durch Nicht-EU-Länder laufe, kein EU-Recht, sondern internationales Recht anzuwenden sei.

Offen bleibt, wie nun die einzelnen Länder reagieren werden - ob sie die Abkommen für rechtswidrig erklären und infolge eventuell aus dem Projekt aussteigen. Bulgarien gab am Donnerstag bereits bekannt, man wolle sich bedingungslos an die EU-Gesetze halten. Serbien wiederum schloss Neuverhandlungen aus.