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Jeder fünfte Grieche ist pleite

Von WZ-Korrespondent Ferry Batzoglou

Politik

Die Monatsausgaben sanken drastisch seit Beginn der Krise - die Armut wuchs.


Athen. Petros Stathopoulos, 46, und seine Ehefrau Maria, 44, können sich durchaus glücklich schätzen. Sie haben drei Kinder, eine eigene Wohnung - und vor allem beide Arbeit. Dennoch: Das Paar muss sparen - und zwar heftig. "Unseren letzten Urlaub hatten wir vor mehr als zwei Jahren. Ausgehen am Wochenende ist Wunschdenken", offenbaren sie. Auch beim Einkauf von Lebensmitteln setzen die Stathopoulos den Rotstift an. Maria klagt: "Fleisch oder Fisch gibt es nur einmal pro Woche. Mehr ist einfach nicht mehr drin."

Die Familie ist im krisengebeutelten Griechenland kein Einzelfall. Im Gegenteil: Die Devise für das Gros der Griechen lautet: sparen, sparen, sparen. Gaben Athens Privathaushalte noch zu Krisenbeginn im Jahr 2008 im Schnitt 2401,44 Euro pro Monat aus, sind die Monatsausgaben 2012 laut einer jüngst Studie des Statistikamts (Elstat) auf 1637,10 Euro gesunken. Dies bedeutet einen Rückgang um rund ein Drittel. Tendenz sinkend. Das meiste Geld gaben 2012 Elstat-Angaben zufolge Paare mit mindestens drei Kindern bis 16 Jahren aus: im Schnitt 2348,28 Euro pro Monat. Allein lebende Senioren über 65 Jahre kamen hingegen nur auf 673,01 Euro.

Auch bei den Ausgaben für Essen und Trinken haben die 4,16 Millionen Haushalte im Elf-Millionen-Einwohner-Land schon längst in den Krisenmodus umgeschaltet. Nicht mehr so locker sitzt auch das Geld für Hotelübernachtungen, Cafés und Restaurants. Waren es 2008 im Durchschnitt 229,79 Euro pro Monat, waren es 2012 nur mehr 160,47 Euro.

72 Prozent zehren vonihren Ersparnissen

Doch damit nicht genug. Laut jüngster Umfrage sind stattliche 72 Prozent der Griechen derweil dazu gezwungen, von ihrem Ersparten zu zehren. Nur so sind sie in der Lage, ihre - wenn auch sinkenden - Konsumausgaben zu decken. Brisant: 19 Prozent der Befragten - zehn Prozent mehr als im Jahr 2005 - sagen, sie seien pleite, hätten ihre Ersparnisse bereits aufgebraucht.

Kein Wunder: Griechenland steckt im sechsten Jahr der Rezession. Um ein Viertel ist die einheimische Wirtschaftsleistung bis dato eingebrochen. Der Mindestlohn wurde auf 586 Euro pro Monat gesenkt, brutto wohlgemerkt. Die Arbeitslosenrate ist von unter zehn Prozent im Jahre 2008 auf mittlerweile 28 Prozent in die Höhe geschnellt. Nur etwa ein Sechstel der Erwerbslosen bezieht das Arbeitslosengeld von einheitlich 360 Euro pro Monat. Damit kommt man in Athen kaum über die Runden. Nach höchstens einem Jahr ist aber auch damit Schluss. Eine Grundsicherung existiert in Griechenland nicht.

Doch auch wer hierzulande noch Arbeit hat, verdient nicht gerade üppig. Offiziellen Angaben zufolge verdienen 43,37 Prozent der Lohn- und Gehaltsempfänger in Griechenland derzeit weniger als 800 Euro brutto im Monat. Brisant: Mehr als eine Million Arbeiter und Angestellte warten auf ihren Lohn länger als einen Monat, mitunter bis zu einem Jahr. Das krude Motto: arbeiten, aber unbezahlt.

Seit Anfang 2010 haben die Griechen bei den Staatsfinanzen insgesamt bereits sagenhafte 47,8 Milliarden Euro gespart, ein Ende ist nicht absehbar. Denn die Athener Regierung unter Premier Antonios Samaras will unbeirrt weitersparen. Konkret sieht der in der Nacht zu Sonntag gebilligte Athener Staatshaushalt 2014 Einnahmen von 54,54 Milliarden Euro vor, 2,4 Milliarden Euro mehr als heuer. Die Staatsausgaben sollen um 2,8 Milliarden Euro auf 56,44 Milliarden Euro fallen.

Gläubiger-Troika ab Dienstag in Athen

Dennoch fror kurz vor der Abstimmung im Athener Parlament Griechenlands Gläubiger-Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) die Auszahlung einer längst überfälligen Kredittranche von einer Milliarde Euro für das chronisch pleitebedrohte Griechenland ein.

Am Dienstag reisen allerdings Vertreter der Gläubiger-Troika nach Athen zu Gesprächen über die Reformen in Griechenland und die ausgesetzte Hilfstranche. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem meinte am Montag, er würde auf keinen Fall sagen, dass das Vorantreiben des Sparprogramms hilfreich im Hinblick auf die sozialen Spannungen in dem Land sei. Es habe 2013 "große Fortschritte" gegeben, doch sei die Frage, ob dies auch 2014 nachhaltig sein werde. Im Endspurt vor der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft am 1. Jänner soll Athen nicht nur die gesetzliche Obergrenze für die monatlich erlaubten Entlassungen in Privatfirmen abschaffen, sondern auch die geltenden Einschränkungen für die Zwangsversteigerung von Immobilien lockern. Zudem soll die Immobiliensteuer reformiert werden. Der hellenische Fiskus will 2014 von den Immobilienbesitzern 2,65 Milliarden Euro eintreiben, sieben Mal mehr als vor Ausbruch der Krise. Die Familie Stathopoulos ahnt, was das für sie nicht nur heuer, sondern auch im neuen Jahr bedeutet: den Gürtel (noch) enger schnallen.