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Zweifel an neuen Bankenregeln

Von Martyna Czarnowska und Konstanze Walther

Politik

Österreichs Unternehmen müssten jährlich 150 Millionen Euro aufbringen.


Brüssel/Wien. "Es geht ja doch." Mit diesen Worten kommentierte der Vizepräsident des EU-Parlaments Othmar Karas die Einigung der Finanzminister auf die Regeln zur Abwicklung maroder Geldhäuser. Die Meinung des Abgeordnetenhauses ist nicht unerheblich, haben die Mandatare bei der Errichtung der Bankenunion doch mitzubestimmen. Und schon jetzt zeichnet sich ab, dass es dabei nicht ohne zähe Debatten zugehen wird.

Denn nicht alle Fraktionen äußern sich wohlwollend zu der Verständigung, die die Finanzminister der Union in einer Marathonsitzung in der Nacht auf Donnerstag getroffen haben. So plädieren die Sozialdemokraten für einen effizienten Mechanismus, bei dem die EU-Kommission ein Entscheidungsrecht hat. Wenn nämlich Beschlüsse zur Abwicklung auf politischer Ebene gefällt werden, wäre das "fatal für das System". EU-Parlamentschef Martin Schulz hatte etwa eine Änderung der Beschlüsse der EU-Finanzminister gefordert: "Ein System zur Rettung oder Liquidierung von Pleitebanken muss simpler und effizienter sein."

Denn für einen der größten Streitpunkte wurde eine Kompromisslösung gefunden, die nicht unbedingt die simpelste ist. So galt es zu regeln, wer das letzte Wort bei der Entscheidung hat, die Abwicklung eines Kreditinstituts einzuleiten. Das soll nun ein neu zu schaffendes Gremium übernehmen, deren Vorstand sich aus einem Direktor und vier Mitgliedern zusammensetzt, die von den Staaten ernannt werden. Doch gibt es auch ein Plenum, in dem Vertreter aller nationalen Abwicklungsbehörden sitzen. Im Idealfall kann der Vorstand, gemeinsam mit dem betroffenen Ländervertreter, rasch eine Entscheidung über eine Bankenabwicklung im jeweiligen Land treffen. Wenn die EU-Kommission jedoch Einwände hat, wird es schon komplizierter. Dann müssen sich erst recht wieder die Finanzminister mit der Angelegenheit befassen.

In manchen Fällen wiederum muss das Plenum eingeschaltet werden: wenn etwa zur Abwicklung mehr als ein Fünftel der Mittel benötigt wird, die in den dafür bestimmten Fonds geflossen sind, oder in einem Jahr daraus mehr als fünf Milliarden Euro gebraucht werden.Die Beschlüsse fallen dann mit einfacher Mehrheit.

Wie dieser Abwicklungsfonds ausgestaltet wird, ist mittlerweile ebenfalls klarer. Innerhalb von zehn Jahren soll er mit Geld von den Banken gefüllt werden und schließlich ein Volumen von rund 55 Milliarden Euro erreichen. Bis dahin werden die nationalen Töpfe miteinander verschmelzen, und ihre Bedeutung wird immer mehr geschwunden sein. Doch müssen etliche EU-Mitglieder - darunter Österreich - ihre eigenen Abwicklungsfonds erst einrichten.

Erleichterung in Wien

Obwohl das für die österreichischen Banken wahrscheinlich zusätzliche Belastungen bringt, ist in Wien auch Erleichterung über die Einigung in Brüssel bemerkbar. Vor allem darüber, dass das Warten in dieser Hinsicht endlich vorbei ist. "2013 war das Jahr des konstanten regulatorischen Stresses", befand der Generaldirektor der Raiffeisen Zentralbank (RZB) und Banken-Obmann Walter Rothensteiner am Donnerstag vor Journalisten in Wien. Wird der Topf nun groß genug sein? Der RZB-Chef sieht in den 55 Milliarden Euro vor allem eine symbolische Wirkung, die wichtig sei für die öffentliche Meinung in der europäischen Bevölkerung. Die Summe sei "greifbar".

Wie viel die österreichischen Institute in den gemeinsamen Topf einzahlen werden, lasse sich laut Rothensteiner noch nicht sagen. Doch wird der Anteil auf zwei bis drei Prozent geschätzt - das wären eineinhalb Milliarden Euro, die aufgeteilt auf zehn Jahre, sich auf einen jährlichen Betrag von 150 Millionen Euro belaufen würden, der von allen österreichischen Banken eingezahlt werden muss. Allerdings: "Was man von den einzelnen Fonds bisher darauf anrechnen kann, weiß man noch nicht. Das ist wirklich zu früh zu sagen", meint Rothensteiner. Und in Österreich muss dieser Topf ja erst aufgebaut werden.

Budget statt Krisenfonds

Anders nämlich als in Deutschland speisen die Geldhäuser in Österreich keinen Krisenfonds - die seit zwei Jahren geltende Bankenabgabe wird stattdessen als Zusatzeinnahme für das Bundesbudget beansprucht. Zunächst waren es 500 Millionen, mittlerweile sind es 650 Millionen Euro pro Jahr. Nach Ansicht Rothensteiners hätte die Bankensteuer aber von Anfang an in einen Abwicklungsfonds einfließen müssen. Eine doppelte finanzielle Belastung ginge nun "auf gar keinen Fall". Wenn der 55-Milliarden-Euro-Topf für das europäische Instrument so eingerichtet werde wie vereinbart, sei schon darüber nachzudenken, wo das Geld herkomme.

Bis es jedoch so weit ist - und das wird nicht vor 2025 geschehen -, bleibt die Last aus Banken-Rettungen an den jeweiligen nationalen Fonds hängen. Auf diese wird aber erst zurückgegriffen, wenn die bereits zuvor beschlossene Mithaftung von Aktionären, Gläubigern und Sparern mit einem Guthaben von mehr als 100.000 Euro nicht ausreicht. Deren Beitrag kann acht Prozent der Verbindlichkeiten eines Kreditinstituts ausmachen, was schon Milliardensummen bedeuten kann.

Nur im äußersten Notfall - wenn die Gläubiger und danach zusätzlich der Fonds die Restrukturierung nicht schaffen - wären bei der Finanzhilfe die Staaten gefragt. Mit ihnen wären es die Steuerzahler.