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Sozialdemokrat Hollande

Von Alexander U. Mathé

Politik

Weniger Staat, weniger sozial, | dafür mehr Unternehmerfreundlichkeit.


Paris/Wien. "Ich bin Sozialist!" Frankreichs Präsident François Hollande wurde in der Vergangenheit nie müde, das zu betonen. Sozialdemokratie, so wie sie sich quer durch Europa etabliert hat - das war etwas Verpöntes in einer Republik, in der die stärkste linke Kraft bis 1978 die Kommunisten waren. Im Vorwahlkampf grenzte sich Hollande mit seinem Sozialismus von seinem Rivalen Dominique Strauss Kahn ab, der das Lager der Sozialdemokratie repräsentierte. Nun ist Hollande selbst dort angekommen.

"Ich bin Sozialdemokrat", sagte er am Dienstag und präsentierte seinen Reformkurs. Details hat Hollande nicht ausformuliert. Doch die Marschrichtung, die er aufgezeigt hat, wird seinen Vorgänger und Gegner bei den letzten Wahlen, den konservativen Nicolas Sarkozy, wohl unwillkürlich an seine eigene erinnern. Der Republik werde es mit weniger Staat besser gehen, so der Präsident. "Das Angebot schafft sich seine Nachfrage", sagte er und beklagte zugleich hohe Arbeitskosten und zu schmale Gewinnmargen für Unternehmen. Dabei hatte er die Wahl gewonnen, weil er im Gegensatz zu Sarkozy versicherte, dass sich wenig ändern müsse an Frankreichs Wohlfahrtsstaat. Jetzt heißt es für Unternehmen: weniger Sozialabgaben im Tausch für mehr Arbeitsplätze. Dazu Kürzungen in der staatlichen Krankenversicherung und eine Modernisierung der Unternehmenssteuern sowie eine Reduzierung der Anzahl der Steuern.

Deutschland ist begeistert

In Deutschland und der EU ist man hellauf begeistert von dem Wandel - ein Wort das Hollande bedächtig vermied und stattdessen von einer "neuen Etappe" sprach. Jahrelang hatte er sich gegen die Sozialeinschnitte gewehrt und auf Steuererhöhungen gesetzt. Nun - mit dem Rücken zur Wand - hat er nachgeben. 3,3 Millionen Arbeitslose und eine Staatsschuld in Höhe von 95 Prozent des Bruttoinlandsprodukts fordern ihren Zoll.

"Wir stimmen Präsident Hollande zu - bei der sozialen Absicherung und den kommunalen Verwaltungen muss gespart werden", sagte Kommissionssprecher Olivier Bailly. Diese Vorhaben entsprächen den Empfehlungen der Kommission vom vergangenen Jahr. Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte am Mittwoch in Berlin, Hollandes Pläne seien "mutig" und "der richtige Weg" für Frankreich.

Hollande isoliert sich

Doch eine Sache sind Worte, die andere Taten. Hollande hat sich nicht zufällig beharrlich gegen Sozialabbau und Zuckerl für Unternehmen gesträubt. Denn damit zieht er sich den Zorn seiner Machtbasis zu. Der linke Flügel seiner Partei, die nicht regierende Linke, die Gewerkschaften: Sie alle werden mit hoher Wahrscheinlichkeit bei den ersten konkreten Schritten gegen seine angekündigte Reform Sturm laufen. Massendemonstrationen liegen in der Luft. Jean-Luc Mélenchon, Chef der Linkspartei, versprach sofort nach Hollandes Auftritt, gegen das Reformprogramm mobilzumachen, im Parlament und auf der Straße. Es wäre sogar möglich, dass der linke Flügel der Sozialisten ihrem Präsidenten die Gefolgschaft verweigert.

Wie heiß schließlich gegessen wird, scheint auch deshalb fraglich, weil Hollande in der Vergangenheit rigorose Reformen - etwa bei Pensionen - angekündigt hat, die letztlich relativ sanft ausfielen. Hinter der nun angekündigten Reform steht schon das erste große Fragezeichen: Wie sollen die Entlastungen für die Unternehmen finanziert werden?