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Ohne Eile in die Bankenunion

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Szczurek im Interview: "Können uns den Posten des Beobachters leisten."


"Wiener Zeitung":Wie machen das die Polen? Während etliche EU-Staaten unter der Finanzkrise gestöhnt haben, ist die Wirtschaft Ihres Landes gewachsen. In welchem Ausmaß haben dazu die Mitgliedschaft in der Union und deren Finanzhilfe beigetragen?Mateusz Szczurek: Es gibt mehrere Gründe dafür, dass die polnische Wirtschaft seit 2008 um zwanzig Prozent gewachsen ist - fünf Mal schneller als jene Deutschlands übrigens. Die Ausschöpfung der EU-Fördermittel ist nur einer davon. Für eine Regierung, die investieren möchte, ist es der beste Zeitpunkt, dieses Geld einzusetzen, um nicht alles auf private Investoren abzuwälzen. Damit wurde eine Finanzierungslücke gefüllt, die sonst keiner zu füllen imstande gewesen wäre. Aber es gibt auch andere Gründe für die Entwicklung. Die Schwäche der polnischen Währung Zloty 2009 hat - wegen der Exportstärke - zur Stabilisierung der Wirtschaft geführt und das Bruttoinlandsprodukt (BIP) angekurbelt.

Polen kann also froh sein, Mitglied der Europäischen Union, aber nicht der Eurozone zu sein?

Die Schwäche einer Währung kann auch zu einem Problem werden, wenn die Verschuldung durch Fremdwährungskredite wächst. Das war in Polen aber nicht der Fall. Die Wirtschaft in Polen wuchs nicht - wie in anderen Ländern - auf Kredit. Noch dazu war das Verbrauchervertrauen bis 2012 außergewöhnlich hoch, was sich auf den privaten Konsum auswirkte. Und obwohl die Unternehmen jahrelang eine sehr vorsichtige Lohnpolitik betrieben haben, schwand dieses Vertrauen erst im Vorjahr, was den Konsum verringerte.

Die Probleme des Eurogebiets sehen Sie sich daher lieber von außen an...

Wir hatten nicht die gleichen Schwierigkeiten. Die Arbeitsproduktivität ist bei uns sogar gestiegen, die Konkurrenzfähigkeit der Gehälter blieb auf hohem Niveau. Polnische Firmen können im europäischen Wettbewerb bestehen.

Allerdings muss auch die polnische Regierung Ausgaben kürzen, um das Budgetdefizit zu senken. Gleichzeitig sollten Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit ergriffen werden, wenn mittlerweile jeder zehnte Mensch keinen Job hat. Wird die Wirtschaft dennoch weiter wachsen?

Unsere Fiskalpolitik beruht auf einem ausgewogenen Tempo der Ausgabenreduktion. Und die Arbeitslosenrate ist im Dezember des Vorjahres immerhin erstmals seit langer Zeit nicht gestiegen. Die ökonomische Entwicklung hängt aber zu einem großen Teil vom privaten Sektor ab. Ich halte es jedenfalls für realistisch, dass die Wirtschaft heuer um 2,5 Prozent wächst.

Wird das einige von den schätzungsweise zwei Millionen Polen, die sich im Ausland einen Job gefunden haben, zur Rückkehr bewegen? Oder sehen Sie diese Emigration nicht als Problem an?

Ich sehe das insofern nicht als Problem an, da die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ein EU-Grundrecht ist. Für das Nationaleinkommen ist es auch besser, wenn Menschen einen Job im Ausland haben, statt zu Hause auf Dauer arbeitslos zu sein. Wenn dies noch dazu die Wettbewerbsfähigkeit der EU insgesamt steigert - umso besser. Trotzdem hätten wir gern, dass Polen aus dem Ausland wieder zurückkehren, aber das erfordert eine wirtschaftliche Situation, die es ihnen ermöglicht, den gewünschten Arbeitsplatz zu bekommen.

Freier Kapitalverkehr ist auch ein Grundrecht in der EU. Polens Geldhäuser beispielsweise sind sehr eng mit ausländischen verbunden. Warum ist Polen nicht aktiver bei der Gestaltung der Bankenunion?

Wir sind sehr aktiv. Wir nehmen aber nicht daran teil.

Und wann wird sich das ändern?

Dafür gibt es kein konkretes Datum. Wir haben aber dennoch Einflussmöglichkeiten, weil wir in alle Verhandlungen voll eingebunden sind - als Land, das seine Bereitschaft bekundet hat, eines Tages der Bankenunion beizutreten. Das erfolgt spätestens mit der Mitgliedschaft in der Eurozone, automatisch. Der Zeitpunkt dafür ist jedoch noch nicht gekommen. Es sind noch zu viele Fragen offen und wie die Mechanismen in der Praxis funktionieren, ist ebenfalls noch ungeklärt. Wir beobachten dies zunächst einmal.

Kann sich Polen diesen Beobachterposten leisten?

Ja, da unsere Bankenlandschaft stabil ist. Wir haben ein System zur Einlagensicherung und auch eines zur Abwicklung der Finanzinstitute, mit denen wir zufrieden sind. Hinzu kommt eine starke Kontrolle: Trotz der internationalen Verflechtung unterliegen nämlich etliche Geldhäuser der nationalen Aufsicht.

Zur Person



Mateusz Szczurek

ist seit zwei Monaten Polens Finanzminister. Der 38-jährige Bank-Analyst war zuletzt Chefökonom der niederländischen ING Bank. Er steht einem raschen Beitritt seines Landes zur Eurozone skeptisch gegenüber.

Szczurek war Gast des "Tatra Summit", einer hochrangig besetzten Konferenz in Brüssel, die sich mit der Zukunft der Bankenunion befasste.