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Der selbst gezüchtete Feind

Von Gerhard Lechner

Politik

Präsident Janukowitsch hat den Aufstieg seiner härtesten Gegner selbst unterstützt.


Lemberg im Herbst 2012, im Vorfeld der letzten Parlamentswahlen. Die Zentrale der nationalistischen Partei "Swoboda" (Freiheit) liegt versteckt in einer Seitenstraße der westukrainischen Metropole. Ein kleiner Seiteneingang, ein Stiegenhaus - und eine Tür. Daneben Aufkleber: "SS-Division Galizien - unsere Helden". Oder: ein deutscher Reichsadler mit dem ukrainischen Dreizack in den Fängen - statt dem Hakenkreuz.

Swoboda-Frontmann Oleh Tjahnybok setzte mit seiner Truppe damals zum Sprung ins ukrainische Parlament an. Und der gelang: Mit knapp über 10 Prozent zogen die Parteigänger des Arztes aus Lemberg, die in Ostgalizien ihre Machtbasis haben, in die Werchowna Rada ein. Mittlerweile ist die Rechtsaußen-Partei samt ihrer Anhänger ein wesentlicher Machtfaktor in der ukrainischen Politik geworden. Die monatelange Besetzung des Maidan, das Durchhaltevermögen der Demonstranten im Kampf gegen die "korrupte Bande" von Präsident Wiktor Janukowitsch erhält sein ideologisches Unterfutter auch aus dem Ideenfundus der Nationalisten: Stepan Bandera und Roman Schuchewytsch, die umstrittenen Galionsfiguren der ukrainischen Nationalisten der 1930er und 40er Jahre, werden als unbeugsame Kämpfer und Vorbilder verehrt. Auch der SS-Division Galizien oder dem Wehrmachtsbataillon "Nachtigall", die Kriegsverbrechen an Polen und Juden verübten und aus Ukrainern bestanden, wird von manchen Respekt bezeugt. Mit dem "Pravyj Sektor" hat sich eine militante Gruppe gebildet, die die Swoboda an Radikalität übertrumpft. Die gemäßigteren Oppositionellen Arseni Jazenjuk und Witali Klitschko versuchen, in dieser Stimmung mitzuschwimmen.

Den Aufstieg von Swoboda hat - neben den gescheiterten "orangen" Politikern - vor allem einer zu verantworten: Janukowitsch selbst. Denn die frühere "Sozial-Nationale Partei" dümpelte lange unter einem Prozent, ehe sie offenbar von Oligarchen aus dem Janukowitsch-Lager unterstützt wurde: Auffallend oft trat Tjahnybok im Fernsehen auf, auffallend gut ausgestattet waren seine Wahlkampagnen für eine Kleinpartei. Der scheinbar geniale polittechnologische Schachzug, die in der gesamten Ukraine nicht mehrheitsfähigen Radikalen aufzurüsten und so die geschwächte Opposition - deren Galionsfigur Julia Timoschenko im Gefängnis sitzt - weiter zu spalten, ging für Janukowitsch nicht auf. Im Gegenteil: Der Präsident hat sich seine kompromisslosesten Gegner selbst gezüchtet.