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Das System Serge Dassault wankt

Von WZ-Korrespondentin Birgit Holzer

Politik

Der französische Großindustrielle steckt mitten in einer massiven Korruptionsaffäre.


Paris. Die Redaktion der rechtskonservativen Zeitung "Figaro" steckt in der Bredouille: Einen so abenteuerlichen Skandal wie die Ermittlungen im Verdacht auf Stimmenkauf, Geldwäsche und Korruption gegen den Großindustriellen und Politiker Serge Dassault kann ein großes Medium unmöglich ignorieren. Delikat ist nur: Zu Dassaults Imperium gehört nicht nur der gleichnamige Konzern für Business-Jets (Falcon) und Militärflugzeuge (Mirage, Rafale) und das IT-Unternehmen Dassault Systèmes, sondern auch der "Figaro". Also belässt es dieser bei minimaler Berichterstattung, während andere Medien wie die linke "Libération" die jüngsten Entwicklungen um den mächtigen Multimilliardär auf die Titelseite heben.

Die "Libération" hat Zugang zu einer Liste mit 130 Namen von Einwohnern der Pariser Vorstadt Corbeil-Essonnes erhalten, die möglicherweise für ihre Wählerstimme Gegenleistungen wie Bargeld oder Jobs erhalten haben. Dassault, der hier von 1995 bis 2009 Bürgermeister war, soll dabei ein "sehr organisiertes System" orchestriert haben, mit der Beteiligung von Abgeordneten und kommunalen Beamten.

Die Polizei ermittelt bereits seit einiger Zeit gegen den konservativen Senator und hat sein Haus durchsucht, seit im Jänner seine Immunität aufgehoben wurde. Nachdem er zwei Tage in Untersuchungshaft verbracht hat, nutzte der 88-Jährige den Senat als Bühne für seine Verteidigung: Die "sogenannten Zeugenaussagen" seien Lügen. Dass er vor allem gegenüber jungen Leuten in der sozial benachteiligten Trabantenstadt im Süden von Paris spendabel war, hat Dassault, der zu den reichsten Männern Frankreichs gehört, zugegeben: "Dem einen habe ich einen Lastwagen gekauft, der anderen eine Pizzeria. Aber ich habe alles immer mit meinem eigenen Geld und ganz offiziell finanziert."

Die Ermittler interessieren sich für Gaben in Höhe von sieben Millionen Euro. Zwei Millionen davon liefen über den Libanon auf das Konto von Younès Bounouara, der als Chefnetzwerker im organisierten Stimmenkauf gilt. Er wiederum wird der Schüsse auf zwei Männer verdächtigt, die Jungwähler anwarben und ihre Belohnung von Dassault einforderten.

Bereits 2008 hatte das höchste Verwaltungsgericht Frankreichs Dassaults Wahl wegen des Verdachts der Bestechung annulliert und ihm für ein Jahr das passive Wahlrecht entzogen. Daraufhin setzte er seinen Vertrauten ein, den aktuellen Bürgermeister von Corbeil-Essonnes, Jean-Pierre Bechter. Der vielsagende Wahlspruch lautete: "Bechter wählen heißt Dassault wählen". Auch über Bechters Wahl mit einem Vorsprung von nur 27 Stimmen schwebt der Korruptionsverdacht, den die nun gefundene Liste an Begünstigten erhärtet.

So gelassen Dassault sich auch zu den Ermittlungen gibt - sie bringen seinen Lebenstraum ins Wanken. Denn seinem berühmten Vater Marcel Dassault, unter dessen Verachtung er litt, hat er nachgeeifert, indem er nicht nur dessen industrielles Erbe antrat, sondern ebenfalls politische Ambitionen verfolgte. Hat er sich seine öffentlichen Ämter letztlich nur erkauft? Der Vorwurf wiegt umso schwerer für einen Mann, dessen Zeitung für Moralpredigten an die Adresse der Politik bekannt ist.