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Putin stets zu Diensten

Von Alexander Dworzak und Veronika Eschbacher

Politik

Medien orten "Faschismus" in der Ukraine, Russland garantiere "Stabilität".


Moskau/Wien/Kiew. "Im Krieg stirbt die Wahrheit immer zuerst", lautet Bert Brechts berühmtes Diktum. Lange bevor am Maidan in Kiew der erste Schuss gefallen ist, begannen Gegner und Befürworter der ukrainischen Revolution um die Deutungshoheit in den sozialen Medien zu kämpfen. Der Propagandakrieg ist dort in vollem Gange, und die Berichterstattung im TV schwankt zwischen seriös und skandalös. "Ich drehe den Fernseher schon gar nicht mehr auf, bei den ganzen Lügen", sagt Anja Smirnova, eine 26-jährige Kiewerin, gegenüber der "Wiener Zeitung". Dabei ist die Berichterstattung in der Ukraine im Vergleich zu Russland vergleichsweise objektiv und vielfältig. Der private "Kanal 5" gehört dem oppositionellen Oligarchen und "Schokoladenkönig" Petro Poroschenko, der bereits die "Orange Revolution" 2004 tatkräftig unterstützte. Wer Treue zum abgesetzten Präsidenten Wiktor Jankuowitsch schätzte, zappte hingegen zum staatlichen ersten Kanal.

Jankuowitsch hat in seiner Amtszeit nach mehr Einfluss auf die Berichterstattung gestrebt, dieser war aber nicht im Geringsten vergleichbar mit jenem Wladimir Putins. Unter seiner Ägide wurden ab 2000 Kreml-kritische Medien eingestellt oder von Putin-nahen Institutionen übernommen. Der - später für zehn Jahre inhaftierte - Oligarch Michail Chodorkowski gab seinen Fernsehsender NTW beispielsweise an den staatlichen Energieriesen Gazprom ab. Unabhängige, landesweit empfangbare Fernsehsender gibt es in Russland heute nicht mehr. Mit dem von Öl und Gas befeuerten globalen Aufstieg Russlands in den Nullerjahren wuchs auch Putins Interesse, sich und Russlands Politik in seinem Sinne zu inszenieren, anstatt auf CNN und Co. auf Menschrechte oder andere unliebsame Themen angesprochen zu werden. 2005 ging der Nachrichtensender Russia Today (RT) auf Sendung - formell unabhängig, aber mit staatlichen Geldern finanziert. Englische, russische, spanische und arabische Programme werden angeboten, also in den Erstsprachen von mehr als einer Milliarde Menschen weltweit.

Gegen "Faschismus" - aber Kooperation mit Despoten

Wer über die Situation in der Ukraine Bescheid wissen will, bekommt dieser Tage über RT drei Botschaften vermittelt: Erstens, die Revolution in Kiew ist eine faschistische. Zweitens, das russische Militär interveniert auf der Krim, um dort wieder für Stabilität zu sorgen. Drittens erfolgen die russischen Militärhandlungen kurzfristig und als Reaktion.

Mit der Realität haben diese Befunde nicht viel gemein: Nicht nur wird die Bedeutung des radikalen "Rechten Sektors" bei RT dramatisch überbewertet. Aus einer gesamtgesellschaftlichen Auflehnung der Ukrainer gegen die überbordende Korruption und die politische Klasse wird eine Übernahme durch Extremisten. Russland sieht einerseits den "Faschismus" heraufziehen, hat aber andererseits bei der Wahl seiner Alliierten bisher selbst wenig Berührungsängste gezeigt - von Weißrusslands Autokraten Alexander Lukaschenko bis zum syrischen Despoten Bashar al-Assad. Die Destabilisierung auf der Krim ging von Soldaten ohne Erkennungsabzeichen aus, die wichtige Gebäude vom Parlament bis zum Flughafen besetzten. Bei ihnen handelte es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Russen, wie beispielsweise an der Ausrüstung erkennbar.

"Höhepunkt der Heuchelei", sagt "unabhängiger" Experte

Neben faktenverdrehenden "Berichten" wartet RT auch mit Kommentaren auf und bedient sich externer "Experten", die den eigenen Standpunkt untermauern sollen - am besten von Nicht-Russen. Als "Höhepunkt der Heuchelei" bezeichnet etwa der laut RT "unabhängige geopolitische Analyst" Eric Draitser aus New York die Kritik des Westens an Russland. Dabei lohnt ein Blick auf die ideologischen Motive des Autors: Draitser ist Gründer der Plattform "Stop Imperialism", seine Kritik fußt auf einem rabiaten Anti-Amerikanismus. Auch der iranische Sender Press TV griff bei seiner Syrien-Berichterstattung bereits auf die vermeintliche Expertise Draitsers zurück.

Im Kurznachrichtendienst Twitter ist RT ebenfalls hochaktiv, wie auch das russische Außenministerium. Dieses gibt seinen Followern Tipps, wo man sich über die Vorgänge in der Ukraine am Besten informieren kann, auch die staatliche Nachrichtenagentur Ria Novosti, die Ende 2013 in einer neuen Struktur aufgegangen ist, und das Auslandsradio "Voice of Russia" mischen eifrig mit.