Frankfurt. Die Europäische Zentralbank EZB will den europäischen Großbanken beim angelaufenen Fitness-Check der Branche deutlich intensiver auf die Finger schauen als die nationalen Aufseher bisher. Insgesamt würden Bilanzrisiken im Volumen von 3720 Milliarden Euro in den kommenden Monaten durchleuchtet, teilte die EZB am Dienstag mit.
Dies entspreche fast 60 Prozent aller potenziellen Risiken bei den 128 Großbanken, die die EZB derzeit auf Herz und Nieren checkt. Sie übernimmt Anfang November die Aufsicht über diese Institute von den nationalen Behörden in den 18 Euro-Ländern.
Wie genau die neuen EZB-Prüfer die Banken gemeinsam mit den nationalen Aufsehern unter die Lupe nehmen, zeigt unter anderem die durchschnittliche Zahl der Kreditdateien, die pro Institut bis ins Detail analysiert werden sollen: nämlich 1250.
Aus dem Prüfungshandbuch geht unter anderem hervor, dass sich die künftigen Aufseher bei der EZB intensiv mit internen Bewertungsmodellen der Banken auseinandersetzen wollen, mit denen diese Verluste prognostizieren. Sollten sich diese nicht als akkurat erweisen oder sich im Vergleich mit einem von der Aufsicht herangezogenen alternativen Modell Zweifel ergeben, sollen die Banken gezwungen werden, ihre Berechnungsformeln zu ändern. Dies könnte sich dann auf die Bewertung von komplexen Derivaten auswirken. Genau überprüft werden sollen auch die Sicherheiten, die Banken für Kredite halten.
Abgeschlossen sein soll die Detailprüfung der Bilanzrisiken im August. Sie ist ein Teil des dreistufigen Tests, den die EZB seit Monaten durchführt. Phase eins war eine Risikoanalyse, Teil drei wird ein Stresstest. Bei diesem müssen die Institute unter Beweis stellen, dass sie unter schwierigen Bedingungen wie einer Rezession oder einem Einbruch des Handels oder der Immobilienmärkte noch über genügend Kapitalreserven verfügen. Die Ergebnisse aller Tests sollen dann im Oktober publik gemacht werden. Dann wird sich zeigen, wie viele Banken Kapitallücken füllen müssen, die bisher nicht bekannt waren. Die Expertenschätzungen gehen hier weit auseinander und reichen bis zu einem Bedarf von 700 Milliarden Euro.
Die einheitliche Kontrolle für Geldhäuser der Eurozone ist ein zentraler Baustein einer europäischen Bankenunion - sie soll die Finanzbranche sicherer machen. Ein Streitpunkt bleibt aber der geplante Banken-Abwicklungsfonds. Allerdings kam es beim EU-Finanzministerrat am Dienstag zu einer Annäherung. Der Kompromiss muss am heutigen Mittwoch aber noch mit dem Parlament verhandelt werden. Und da liegen die Positionen noch auseinander.
Annäherung bei Abwicklung
Die EU-Finanzminister hatten sich im Dezember auf einen Mechanismus zur Abwicklung von Krisenbanken im Grundsatz geeinigt und beschlossen, dass die Banken in den kommenden zehn Jahren in einen Abwicklungsfonds 55 Milliarden Euro einzahlen sollen. Zuletzt war in EU-Ratskreisen von einem Kompromiss bei der Auffülldauer des Fonds die Rede. So könnte es eine Verkürzung der Dauer von zehn auf acht Jahre geben. Das wollte Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble gestern jedoch nicht bestätigen. Er bezeichnete den Bewegungsspielraum bei der Zeit der Einspeisung als gering. Zufrieden zeigte er sich hingegen mit einem Vorschlag, wer die Entscheidung zur Abwicklung einer Bank treffen soll. Das soll durch eine zu schaffende Abwicklungsbehörde geschehen, die aus einem Vorstand und einem Plenum besteht. Dieses muss in bestimmten Fällen eingeschaltet werden - wenn etwa in die Sanierung von Kredithäusern innerhalb von zwölf Monaten mehr als fünf Milliarden Euro fließen müssten. Wenn die EU-Kommission mit einem Beschluss des Vorstands nicht einverstanden ist, sollen wieder die Finanzminister befasst werden. Das EU-Parlament hätte die Staaten aber lieber aus dem Entscheidungsprozess herausgehalten. Die Kommission wiederum hätte gern die Modalitäten der Einzahlung in den Fonds geregelt. Über die einzelnen Beträge der Banken sollen nun aber laut Schäuble die Länder entscheiden.