Zum Hauptinhalt springen

Europa schmiedet Bankenunion

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Innerhalb von acht Jahren sollen 55 Milliarden Euro in Notfallfonds fließen.


Brüssel. Ohne eine letzte Marathonsitzung scheint es nicht zu gehen. Doch nach einer 16-stündigen Verhandlungsrunde war immerhin eine grundsätzliche Einigung da: Vertreter des EU-Parlaments, der -Kommission und der Mitgliedstaaten verständigten sich auf neue Regeln zur Abwicklung maroder Banken. Monatelange Debatten waren dem vorausgegangen, bis zuletzt hatten alle drei Seiten unterschiedliche Vorstellungen von den Instrumenten, die künftig sichern sollen, dass Staaten - und damit die Steuerzahler - bei der Rettung in Schieflage geratener Geldhäuser finanziell so weit wie möglich verschont bleiben.

Zwar hat es schon relativ schnell eine Verständigung darauf gegeben, dass zunächst Aktionäre, Gläubiger und Sparer mit hohen Guthaben zur Verantwortung gezogen werden sollen. Doch dem folgte ein zähes Ringen um die Details bei der Ausgestaltung der Abwicklungsbehörde, der Entscheidungsprozesse oder der Modalitäten der Einzahlung in den Fonds, aus dem die Mittel für die Restrukturierung eines Kreditinstituts fließen sollen.

Dieser Topf soll nun ab 2016 innerhalb von acht Jahren - und nicht zehn, wie ursprünglich geplant - mit 55 Milliarden Euro gefüllt werden. Das Geld fließt zunächst einmal in nationale Abteilungen, die schrittweise ihre Bedeutung verlieren, bis sie schließlich zu einem gemeinsamen Fonds verschmelzen. Ihre Berechnungen, wie viel die einzelnen Banken einzahlen sollen, soll die EU-Kommission in kurzer Zeit vorlegen.

Den höchsten Beitrag werden aber deutsche Unternehmen liefern - nach aktuellen Schätzungen gut ein Viertel der Summe. Aus Österreich könnten knapp 1,5 Milliarden Euro fließen, an die 170 Millionen Euro pro Jahr. Woher das Geld jedoch stammen soll, lässt das Finanzministerium in Wien noch offen.

Denn anders als in Deutschland gibt es in Österreich keinen eigenen Abwicklungsfonds, aus dem die Mittel beispielsweise in den europäischen Topf umgeleitet werden könnten. Zwar müssen die Kredithäuser eine Abgabe zahlen. Die kommt jedoch dem Budget zugute. Wenn die Regierung also einen Teil dieser Einnahmen in der jährlichen Höhe von rund 600 Millionen Euro dem gemeinsamen Fonds zukommen lässt, ergibt das eine Lücke im Staatshaushalt. Gegen zusätzliche Belastungen wehren sich allerdings umgekehrt die Banken.

Wien auf Geldsuche

Das Problem sei heuer aber noch nicht aktuell, hatte Finanzminister Michael Spindelegger zuletzt erklärt. Das gilt bald jedoch nicht mehr, denn im ersten Jahr der Einzahlung sollen die Mittel für 2015 und 2016 aufgebracht werden. Betroffen sind in Österreich ein halbes Dutzend Banken.

Noch nicht völlig klar ist ebenfalls, was passiert, wenn ein großes Institut kollabiert, bevor der Topf gefüllt ist. Zwar könnte zunächst auf das Geld aus der nationalen Abteilung und dann auf den schon vergemeinschafteten Teil zurückgegriffen werden. Wenn das aber nicht ausreicht, müsste der Fonds selbst einen Kredit aufnehmen - entweder auf dem Markt oder beim jeweiligen Staat.

Einer der am heftigsten umstrittenen Punkte war aber die Frage, wer den endgültigen Beschluss über die Restrukturierung einer Bank fällen soll. Kommission und Parlament haben sich eine europäische Institution dafür gewünscht, etwa die Kommission selbst. Das gefiel aber einigen Ländern - darunter Deutschland - weniger. Der Kompromiss kommt nun Berlin entgegen. Die Kommission wird nämlich nicht das letzte Wort haben.

Am Anfang des Entscheidungsprozesses steht jedenfalls die Europäische Zentralbank (EZB), die auch die gemeinsame Aufsicht über die großen Kredithäuser übernehmen wird. Das wichtige Gremium wird aber eine neue Abwicklungsbehörde sein, die aus Vertretern der EU-Institutionen sowie des betroffenen Landes besteht. Es gibt jedoch auch ein Plenum, das alle Mitglieder vereint und unter Umständen ebenfalls befasst werden muss.

Wenn die Kommission nun mit einer Entscheidung der Behörde nicht einverstanden ist, kann sie innerhalb von 24 Stunden ihren Widerspruch anmelden. Doch muss sie sich von den Finanzministern die Zustimmung zu Änderungen holen. Verstreicht die Frist ohne Einwände, ist der Beschluss der Abwicklungsagentur fix. Für kleine Banken bleiben die nationalen Behörden zuständig.

Die komplizierte Struktur der Beschlüsse, die lange Dauer für den Aufbau des Fonds, die als zu niedrig kritisierte Summe der Finanzhilfe bezeichnen denn auch etliche Experten als Schwachstellen der Abwicklungsregeln. Doch die Verhandlungspartner zeigten sich mit ihrem Kompromiss zufrieden. Das lieferten sie rechtzeitig vor dem Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs ab. So konnten auch die Spitzenpolitiker das Ergebnis begrüßen.