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Europa kämpft mit seinem Sozialproblem

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska aus Athen

Politik

Experten warnen vor gesellschaftlichen Kosten der rigiden Sparprogramme in Griechenland und anderen EU-Ländern.


Athen. Ein großer Park trennt die Orte des Geschehens. Doch was auf der einen Seite des Nationalgartens im Zentrum Athens beschlossen wurde, wird auf der gegenüberliegenden Seite der Anlage am heutigen Dienstag eine wesentliche Rolle spielen. Dort kommen im Konferenzzentrum Zappeion die Finanzminister der Europäischen Union zusammen, die unter anderem über die Hilfskredite für Griechenland beraten werden. Und die Auszahlung einer weiteren Tranche hat das Parlament am oberen Ende des Parks kurz zuvor durch eine Abstimmung ermöglicht. Mit knapper Mehrheit votierten die Abgeordneten für ein Reformpaket, auf das sich die Regierung nach monatelangen Verhandlungen mit der EU und dem Internationalen Währungsfonds geeinigt hatte.

Die Zustimmung dazu war für die Koalition nötig, um die nächste Kreditrate zu bekommen. Im Mai braucht sie knapp zehn Milliarden Euro, um Anleihegläubiger auszuzahlen. Es sei ein hartes, aber für die Zukunft des Landes wichtiges Votum gewesen, kommentierte Finanzminister Yannis Stournaras. Auch die Regierung selbst musste ihren Preis dafür zahlen: Ihre Mehrheit ist auf zwei Sitze geschrumpft, da ein Mandatar wegen fehlender Parteidisziplin ausgeschlossen werden soll.

Doch sind es vor allem Teile der Bevölkerung, die die Auswirkungen der von den internationalen Geldgebern geforderten Sparprogramme zu spüren bekommen. Tausende Beamte wurden entlassen, Gehälter und Pensionen werden gekürzt. Nirgendwo sonst in der EU sind so viele Jugendliche arbeitslos wie in Griechenland.

Die sozialen Folgen der Wirtschaftskrise wird Finanzminister Stournaras daher auch gleich beim Treffen mit seinen EU-Amtskollegen besprechen können. Zumal die Griechen, die derzeit den EU-Vorsitz innehaben, das Thema auf die Agenda der zweitägigen Zusammenkunft gesetzt haben. So wird die in Brüssel ansässige Denkfabrik Bruegel ein Diskussionspapier präsentieren, das sich mit dem "sozialen Problem Europas und dessen Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum" beschäftigt.

Schon mehrmals haben die Experten vor den Kosten der Finanzkrise aber auch der rigiden Einsparungen gewarnt. Immerhin sind seit 2008 an die sechs Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen, und die Zahl der Menschen ohne Job ist auf 26 Millionen gestiegen. Höher geworden ist ebenfalls die Armutsgefährdung in einigen EU-Staaten. Darauf weisen auch Hilfsorganisationen in westlichen Ländern hin, etwa die Diakonie in Österreich: Waren von knapp sechs Jahren etwa 116 Millionen Menschen von Armut bedroht, seien es derzeit 124 Millionen - also rund ein Viertel der EU-Bevölkerung.

Laut Bruegel sollte daher die Politik weiterhin ihr Augenmerk auf den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und Armut legen. Das wäre nämlich nicht nur im Interesse der Betroffenen, sondern würde auch zur Schuldenbekämpfung sowie zum Wirtschaftswachstum beitragen. Denn dieses würde durch fehlende Jobs und wachsende soziale Ungleichheiten untergraben.