Budapest. Es war ein glorreicher Sieg für Viktor Orbán, aber nur vordergründig, denn die Schatten sind offensichtlich. Ungarns rechtsnationaler Ministerpräsident hat die Parlamentswahl vom Sonntag erwartungsgemäß gewonnen und kann mit einer mehr als komfortablen Mehrheit weiterregieren. Zahlreiche Experten sind sich aber darin einig, dass dieses überwältigende Ergebnis auf ein neues Wahlsystem zurückzuführen ist, das Fidesz geradezu auf den Leib geschneidert ist: Obwohl Fidesz mit nur 44,4 Prozent das schlechteste Ergebnis seit 1998 einfuhr, ist paradoxerweise die Zweidrittel-Mehrheit in Reichweite. 39 Prozent der Ungarn gingen gar nicht zur Wahl. Demnach ist dieser Sieg bei weitem nicht auf eine allgemeine Zufriedenheit der Ungarn mit Orbáns Politik zurückzuführen. "Es stimmt nicht, dass das Land mit Haut und Haaren die Fidesz will", schrieb der liberale Politologe Zoltán Lakner nach der Wahl.
"Europäischer Rekord"
Zugleich ist es klar, dass Orbán wegen der Schwäche der Opposition auch ohne diese Wahlrechtsreform gewonnen hätte, wenn auch nicht mit dieser riesigen Mehrheit. Seit 2010 regiert Orbán bereits mit einer Zweidrittel-Mehrheit, oft im Konflikt mit der EU, zentralistisch und ohne jede Konsultation mit der oppositionellen Zivilgesellschaft. Damit hat er eine neue Verfassung durchgepeitscht, Möglichkeiten zur Gängelung der Medien geschaffen und Gesetze für breite Felder der Politik so zementiert, dass sie nur schwer änderbar sind.
In seinem neuen Sieg sieht er eine neue, "unbestreitbare" Legitimation, um so weiterzumachen wie bisher. "Wir haben gewonnen", sagte Orbán in der Wahlnacht vor jubelnden Anhängern. Das Ergebnis sei "ein europäischer Rekord". Ungarn sei jetzt "das einheitlichste Land Europas". Das überwältigende Votum habe "die nationale Unabhängigkeitspolitik" des Fidesz bestätigt. Am Tag danach deutete er einen möglicherweise weicheren Kurs und mehr Dialogbereitschaft mit der EU an. Die Zweidrittel-Mehrheit sei "unbedeutend", "symbolische Schritte" stünden jetzt kaum noch bevor, sondern eher "notwendige" Maßnahmen, sagte Orbán. Ungarn werde wirtschaftlich zum "Vorreiter in Europa", kündigte er an. Zu der von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) geäußerten Kritik an "übermäßigen Vorteilen" bei der Wahl, die dem Fidesz durch verschiedene Regelungen gesichert würden, sagte Orbán: "Es gibt dazu nichts zu sagen."