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Mit dem Rücken zur Wand

Von Ines Scholz

Politik

Donald Trump Jr. sieht sich mit neuen brisanten Angaben zu seinen Russland-Kontakten im Wahlkampf konfrontiert.


Washington. Am 12. Oktober 2016, auf dem Höhepunkt des US-Präsidentschaftswahlkampfes, erhält Donald Trump Junior von Wikileaks’ Twitteraccount eine persönliche Botschaft. Nur Tage zuvor hatte die Enthüllungsplattform gehackte E-Mails von Hillary Clintons Kampagnenmanager veröffentlicht, um die Kandidatin der Demokraten zu diskreditieren, was ihr Herausforderer Donald Trump zum Ausspruch "Ich liebe Wikileaks" veranlasste.

"Hey Donald, schön zu sehen, dass Du und Dein Vater über unsere Publikationen reden", schreiben die Whistleblower der Enthüllungsplattform damals an den ältesten Sohn und Wahlkampfhelfer Trumps. Dann folgt eine Bitte an den Junior: Damit sich die Anhänger des Trump-Lagers beim Durchforsten der geleakten Clinton-Dokumente leichter tun, möge sein Vater doch bitte, wenn er Wikileaks wieder erwähne, den entsprechenden Link zum Suchportal von Wikileaks tweeten.

Gesagt, getan. Zwei Tage später twitterte der jüngere Donald Trump wie gefordert den Link, der zu Clintons "Korruption und Heuchelei" weiterleitet.

Es war nicht der einzige Kontakt, den der 39-Jährige während des US-Wahlkampfs mit der Enthüllungsplattform hatte. Das US-Magazin "The Atlantic" machte jüngst ein Dutzend weiterer Anfragen und Ratschläge öffentlich, die Trump Junior erhielt. Die letzte stammt von Juli dieses Jahres. Dreimal hat Trumps Sohn geantwortet. Wer die Kommunikation liest, könnte meinen, bei Wikileaks handle es sich um eine Agentur mit dem Auftrag, Donald Trumps Wahlkampf zu managen.

So schickte Wikileaks Trump Jr. etwa eine Frage zu dem Initiator eines politischen Aktionskomitees. Dieser antwortete, er wisse nicht, wer das sei, wolle sich aber umhören. In der nächsten Nachricht bat Wikileaks, einen Bericht über Clinton öffentlich zu kommentieren. Trump Jr. entgegnete, er habe dies bereits getan. Dann fügte er hinzu: "Es ist erstaunlich, womit sie durchkommt."

Wikileaks seinerseits empfahl, dass Trump sich im Fall einer Niederlage am Wahltag nicht geschlagen geben dürfe, sondern das Ergebnis anfechten müsse. Ein anderes Mal schlug ihm der Nutzer des Twitterkontos vor, Wikileaks-Gründer Julian Assange im Falle eines Trump-Sieges den Botschafterposten in Australien anzubieten. Schließlich verlangte die Plattform sogar die Steuererklärung seines Vaters, um im Falle von Leaks der Trump-Gegner richtig reagieren zu können.

US-Kongress und -Geheimdiensten sind diese Sachverhalte bereits seit längerem bekannt, über das US-Magazin erfuhr nun aber erstmals die Öffentlichkeit von dem regen Kontaktaustausch. Trump Jr. bemühte sich, die Bedeutung der Mitteilungen herunterzuspielen. Darunter befänden sich ganze drei "kolossale" Antworten von ihm, schrieb er am Montagabend auf Twitter.

Die Angelegenheit ist für das Weiße Haus äußerst heikel. Trumps engste Umgebung steht schon jetzt unter Dauerbeobachtung des US-Sonderermittlers in der Russland-Affäre, Robert Mueller, der Geheimdienste, des FBI und des Kongresses. Zwei Ex-Wahlkampfmitarbeiter, Paul Manafort und Rick Gates, wurden kürzlich unter Hausarrest gestellt, ihnen droht eine Anklage wegen krummer Geschäfte in Russland und der Ukraine.

Auch Trump Junior ist kein unbeschriebenes Blatt. Im Juli hatte er einräumen müssen, sich während des Wahlkampfs mit einer russischen Anwältin getroffen zu haben, die enge Kontakte zum Kreml pflegen soll. Aus E-Mails geht hervor, dass der 39-Jährige der Begegnung mit Natalia Weselnizkaja zugestimmt hatte, weil ihm kompromittierendes Material über Clinton versprochen worden war. In einer E-Mail ist von einem Versuch der russischen Regierung die Rede, dem älteren Trump zu helfen. Dies gilt als Indiz dafür, dass Mitglieder aus Trumps Wahlkampflager bereit waren, mit Russland intensiv zusammenzuarbeiten, um den Wahlkampf zu beeinflussen.

Trump Jr. soll wegen des Treffens mit Weselnizkaja demnächst öffentlich vor einem Kongressausschuss aussagen. Mit der Begegnung hatte er sich auf ein potenzielles rechtliches Minenfeld begeben: Die Annahme von ausländischer Hilfe für eine US-Wahlkampagne ist nach Angaben vieler Experten unter Umständen strafbar.

Noch dazu machte die Anwältin im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Bloomberg am Montag brisante Details ihres Treffens mit Trump Jr. im Juni 2016 publik. Dieser habe ihr damals einen Deal vorgeschlagen: Wenn Russland kompromittierende Informationen über die Demokratin Hillary Clinton vorlege, könnte eine Regierung Trump nach einem Wahlsieg die Russland-Sanktionen des US-Kongresses im Sinne Moskaus prüfen, berichtet sie Bloomberg. Trumps Sohn habe sich offen gezeigt.

Mit dem nun publik gewordenen regen Austausch zwischen dem Trump-Spross und Wikileaks im Wahlkampf bekommt der Verdacht einer länderübergreifenden Verschwörung gegen Clinton neue Nahrung. US-Geheimdienste beschuldigen die russische Regierung schon lange, hinter den Hacker-Angriffen zu stehen.

Eine unheilige Allianz

Russlands Auslandsgeheimdienst GRU wird dabei eine enge Kooperation mit der vom Australier Julian Assange gegründeten Whistleplower-Plattform nachgesagt. Während der US-Wahlkampagne haben sie sich nach bisherigen Erkenntnissen abgestimmt: Die Russen verschafften sich Zugang zu vertraulichen Dokumenten, Wikileaks publizierte sie anonym.

An einem Sieg Trumps hatten beide großes Interesse. Präsident Wladimir Putin, weil ein schwaches, unberechenbares Amerika dabei hilft, Russlands geopolitische Interessen durchzusetzen. Wikileaks, weil es sich als Bollwerk gegen die imperialistische Politik der Vereinigten Staaten versteht. Auch Assange selbst kam die Umarmungsstrategie des Trump-Lagers gelegen - zuletzt war es immer einsamer geworden um den 46-Jährigen. Seit mehr als fünf Jahren sitzt der Australier nun in der Botschaft Ecuadors fest - zuletzt kappten ihm seine Gastgeber zwischenzeitlich gar die Internetverbindung. Und im Falle eines Rechtsrucks in Ecuador befürchtet er die Ausweisung in die USA, wo ihm wegen Verrats von Staatsgeheimnissen lebenslange Haft droht.