Genf/Moskau/Washington. (schmoe) Der für heute angesetzte Ukraine-Gipfel in Genf steht unter keinem guten Stern. Die Außenminister der Ukraine, Russlands, der USA sowie die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton wollen im Hotel Intercontinental eine Entspannung der Lage erreichen. Vor dem Hintergrund der drohenden Eskalation im Osten der Ukraine sind die Erwartungen groß, Zweckoptimismus ist angesagt. "Ein Scheitern ist nicht erlaubt", so der ultimative Appell des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier.

Allein, die jüngsten Entwicklungen machen wenig Hoffnung, dass der Gipfel ein Erfolg wird.

Die Standpunkte Russlands und des Westens sind diametral entgegengesetzt. Moskau hält den "Anti-Terroreinsatz" Kiews für völkerrechtswidrig und nicht im Einklang mit den ukrainischen Gesetzen. Für Washington hingegen hat die Ukraine das Recht, im Osten "Ruhe und Ordnung" wiederherzustellen. Die "Provokationen" prorussischer Kräfte "schaffen eine Situation, in der die Regierung handeln muss", so das Weiße Haus. Für Washington steht Russland ganz klar hinter der Eskalation, deshalb müsse Moskau dafür sorgen, dass die Separatisten die besetzten Behörden räumten. Außerdem sei es notwendig, dass der Kreml den militärischen Aufmarsch seiner Streitkräfte an der ukrainischen Grenze beende.

Auch Berlin ist der Ansicht, dass die Ukraine die Übernahme von Polizeistationen "durch Gewalttäter" nicht hinnehmen könne. Merkel forderte Putin auf, "zur Mäßigung" beizutragen.

Russland wirft westlichen Medien "Zensur" vor

Für EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle ist die "russische Propaganda" in der Entwicklung um die Ukraine schlichtweg "gefährlicher als zu Zeiten des Kalten Kriegs". Moskau sei bestrebt, "die Instabilität in der Ukraine zu fördern". Das deutsche Kanzleramt stellt fest, dass "die anhaltende aufrührerische Berichterstattung" in den auch in der Ostukraine konsumierten russischen Staatsmedien "bereits ein Faktor" sei, "der zur Destabilisierung der Ostukraine beiträgt und von Separatisten als russische Rückendeckung verstanden wird".

Das EU-Parlament warnt davor, dass Sabotageakte von prorussischen Separatisten als falscher Vorwand für eine russische Militärintervention genützt werden könnten. Die Mandataren in Straßburg drängen zudem auf schärfere Reaktionen gegen Russland.

Für Wladimir Putin stellt sich die Sache völlig anders dar: Kiew riskiere mit seinem Anti-Terrorsatz den Ausbruch eines Bürgerkrieges, sagt er. Der Kremlherr fordert vom UN-Sicherheitsrat eine Verurteilung des Vorgehens der ukrainischen Sicherheitskräfte. Außerdem wirft Moskau den westlichen Medien Zensur vor: Die Menschen im Westen seien der freien Informationswahl beraubt, heißt es hier. Man scheitere mit allen Erklärungsversuchen an einer "Zensurmauer".

Zu den unfreundlichen Tönen gesellen sich wechselseitige Drohgebärden, die das Gesprächsklima nicht verbessern werden. Putin ließ zuletzt demonstrativ Langstreckenraketen testen und präsentiert der Welt ganz offen sein Arsenal an Kampfjets. Die Nato reagiert und verstärkt ihre Ostgrenze militärisch. Der Generalsekretär des Verteidigungsbündnisses, Anders Fogh Rasmussen, kündigte gestern verstärkte Einsätze von Kampfjets über den baltischen Staaten an. Schiffe, darunter ein deutsches, würden in die Ostsee und das östliche Mittelmeer verlegt. Außerdem will man Manöver abhalten. Die Maßnahmen zielen darauf ab, die östlichen Mitglieder der Nato zu beruhigen - werden in Moskau aber als Provokation wahrgenommen.

Das sorgt für Zwischenfälle, die brandgefährlich sind und die Lage schnell aus dem Ruder laufen lassen können. Am Montag etwa näherte sich ein russischer Kampfjet vom Typ Su-24 dem US-Kriegsschiff "Donald Cook" in geringer Höhe. Der Jet habe das Schiff in einer Distanz von 900 Metern umkreist und sei in einer Höhe von 150 Metern über dem Meer geflogen, heißt es von US-Seite. Der Vorfall habe sich über 90 Minuten hingezogen. Das Pentagon spricht von "provokativem und unprofessionellem Vorgehen Russlands".