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Der Kampf geht weiter

Von Siobhán Geets

Politik
Im Zentrum Dublins marschieren Uniformierte für ein vereintes Irland.
© Geets

Zum Gedenken an den Osteraufstand von 1916 marschieren maskierte Uniformierte durch Dublin. | Die Republican Sinn Féin kämpft weiterhin für ein unabhängiges Nordirland.


Dublin. Es ist sonnig und warm am Montag in Dublin. Die offiziellen Feierlichkeiten anlässlich des Osteraufstandes von 1916 haben zwar schon am Sonntag stattgefunden, doch am Ostermontag marschiert noch ein weiterer Zug mit zwei Dutzend maskierten Uniformierten durch die die O’Connell Street im Zentrum Dublins. Sie schwenken Flaggen, jene der irischen Republik von 1916, die irische Flagge und alte Symbole der nationalistischen irischen Bewegung. Es ist die Oster-Parade der Republikaner, allen voran der Republican Sinn Féin (RSF). Sie gilt als politischer Arm der paramilitärischen Organisation Continuity IRA. Die Parade ist nicht angemeldet und wird von der Polizei begleitet. Polizisten in Zivil warten am Treffpunkt beim Garden of Remembrance, um die Personalien der Paradeteilnehmer aufzunehmen. Auch ausländische Sympathisanten sind dabei.

"Ich gehe jedes Jahr mit", sagt ein älterer Herr. Er trägt eine weiße Lilie, Symbol des irischen Republikanismus, am Revers. "Martin McGuinness und Gerry Adams von Sinn Féin haben uns verraten", sagt er. "Sie schütteln der Queen die Hand, während wir weiterhin für ein vereintes Irland kämpfen."

Die Parade zieht Richtung Zentrum. Vorne die Maskierten, dann eine Marschkapelle mit Trommeln und Flöten, dahinter Männer in schwarzen Uniformen. "Was soll das?", fragt ein Zuseher kopfschüttelnd. "Sie sollen endlich damit aufhören und die Vergangenheit ruhen lassen." Keine Viertelstunde später ist die Parade vor dem Hauptpostamt angekommen.

Die RSF bezieht sich auf einen Republikanismus, der hier seinen Anfang nahm. Vor fast hundert Jahren, am Ostermontag 1916, besetzten irische Nationalisten das zentral gelegene General Post Office (GPO) und andere wichtige Gebäude in Dublin. Die Irish Citizen Army unter James Connolly hatte sich mit Patrick Pearses Irish Volunteers und anderen nationalistischen Gruppen zusammengeschlossen. Am Ostermontag schritt Pearse vor das Postamt und verlas die Oster-Proklamation: die Unabhängigkeit Irlands von Großbritannien. Das Postamt sollte für die kommenden sechs Tagen ihr Hauptquartier sein.

Großbritannien befand sich damals mitten im Ersten Weltkrieg, die britische Armee war beschäftigt mit dem Kampf gegen die Deutschen und hielt die Besetzung des Postamtes anfangs für ein Gerücht. Als die Briten schließlich merkten, dass die Lage ernst war, schickten sie Verstärkung nach Dublin und schlugen den Aufstand blutig nieder. Gegen Ende der Woche überwogen die britischen Truppen die irischen Freiheitskämpfer um das Zwanzigfache. Als Pearse, Connolly und ihre Mitstreiter am Ostersamstag kapitulierten, lagen Teile des Stadtzentrums in Trümmern. Die Briten hatten auch bewohnte Gebiete mit Artilleriegranaten beschossen - und dabei hunderte Zivilisten getötet.

Pearse und der schwer verwundete Connolly wurden, wie viele weitere Rebellen, hingerichtet. Das änderte die Stimmung in der Bevölkerung: Während die Rebellen vor dem Osteraufstand relativ wenig Unterstützung genossen, ging nun ein Aufschrei durch ganz Irland. Die harten Maßnahmen nach dem Osteraufstand verschärften die anti-britische Stimmung weiter. Obwohl der Aufstand 1916 fehlschlug, markiert er den Wendepunkt in der Geschichte Irlands und ebnete letztlich den Weg zur Unabhängigkeit.

Doch der Norden Irlands blieb auch nach 1922 britisch, die Bevölkerung gespalten in Katholiken und Protestanten. Der Nordirlandkonflikt ist zwar seit dem Karfreitagsabkommen von 1998 beendet, die IRA gab offiziell ihre Waffen ab. Doch gibt es immer noch paramilitärische republikanische Gruppen wie die Continuity IRA, die Anschläge auf Polizisten und britische Soldaten verüben. Mittlerweile sitzt die Sinn Féin, früher der politische Arm der IRA, mit der protestantischen DUP im nordirischen Parlament. Doch gerade daran stoßen sich republikanische Gruppen wie die RSF. Mitglieder der Continuity IRA und der RSF fühlen sich von der Sinn Féin verraten und sehen sich als die wahren Republikaner. Ihr Ziel: ein vereintes Irland. Die Continuity IRA bekannte sich zuletzt 2009 zum Mord an einem nordirischen Polizisten. Es war der erste getötete Polizist seit dem Karfreitagsabkommen von 1998. Für die RSF sind tödliche Angriffe auf Polizisten und britische Soldaten keine Morde, sondern Kriegshandlungen gegen den übermächtigen imperialistischen Feind Großbritannien.

"Wir sind immer nochbritisch okkupiert"

Bei der Osterparade mit dabei ist auch Sean Dubhlain, Sprecher der RSF. Irland sei zwischen zwei imperialistischen Kräften gefangen, meint er: den Briten auf der einen Seite und der EU auf der anderen. RSF erkennt weder Nordirland noch die Republik Irland an. Dubhlain, Jahrgang 1990, war beim Karfreitagsabkommen gerade einmal acht Jahre alt. Doch er ist überzeugt, dass der Kampf für ein vereintes Irland weitergehen muss - auch militärisch. "Wir sind immer noch britisch okkupiert", sagt er, "Sollen wir etwa aufgeben und vor ihnen niederknien? Nein. Die Iren haben das Recht, sich zu verteidigen - auch militärisch."

Die RSF hat genaue Vorstellungen davon, wie ein vereintes Irland auszusehen hat. Eire Nua ("Neues Irland"), ihr politisches Programm, sieht ein föderal strukturiertes, sozialistisches Irland vor, in dem auch Protestanten einen Platz haben sollen. Eine Beteiligung an den jetzigen Regierungen Irlands wie Nordirlands lehnen sie ab.

Vor dem GPO warten die Redner des Tages: RSF-Vizepräsident Fergal Moore hält eine Ansprache, dann wird, wie schon 98 Jahre zuvor, die irische Proklamation verlesen. In zwei Jahren jährt sich der Osteraufstand zum hundertsten Mal. Das britische Königshaus hat angekündigt, 2016 einen Vertreter zu den Feierlichkeiten nach Dublin zu schicken. Das wird nicht nur gewaltbereiten Republikanern missfallen. Die Teilnahme des Königshauses an einer Gedenkfeier zu Ehren der vom britischen Militär getöteten Rebellen ist ein Affront für viele Iren.