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Truppenrückzug als PR-Aktion?

Von Ines Scholz

Politik

Nato hat keine Hinweise, dass russische Soldaten von der Grenze zur Ostukraine abziehen.


Kiew/Moskau/Brüssel. "Diplomatie ist die Kunst, seine Feinde auf eine Weise in die Hölle zu schicken, dass sie sich darauf freuen", sagte Wladimirs Putins Presseleiter Dmitri Peskow einmal. Auf Täuschungsmanöver als Teil der psychologischen Kriegsführung setzt auch Russlands Präsident selbst im Ukraine-Konflikt. Vom angeblichen Truppenrückzug, den sein Verteidigungsminister Sergej Schoigu dem Pentagonchef Chuck Hagel verkündet haben soll, war am Dienstag wenig zu spüren. Es gebe derzeit keine Hinweise für derartige Truppenbewegungen, teilte die Nato am Dienstag mit. Stattdessen kam ein Appell: "Wir rufen Russland weiter dazu auf, sich an das Genfer Abkommen zu halten und zugunsten von Diplomatie und Dialog alle Truppen an der Grenze zur Ukraine zurückzuziehen." Dort stehen 40.000 bis 50.000 russische Soldaten bereit, zu intervenieren, wenn das Signal aus Moskau kommt. Bisher kam es nicht. Stattdessen schloss die Führung in Moskau am Dienstag nicht mehr aus, den Ausgang der Präsidentschaftswahlen in der Ukraine Ende Mai anzuerkennen - kritische Beobachter halten diese Ankündigung allerdings für nicht sehr glaubwürdig.

Der Westen misst Moskaus Bereitschaft zu einer konstruktiven Lösung daran, ob es zu einer Deeskalation der Lage in der Ostukraine kommt. Danach sieht es derzeit aber nicht aus. Am Dienstag besetzten im nördlichen Luhansk rund 2000 prorussische Aktivisten und schwer bewaffnete Paramilitärs das Gebäude der Gebietsverwaltung - wenig später wurde auch ein Polizeiposten der 430-000-Einwohner-Stadt gestürmt.

Im Sand verliefen bisher auch die Verhandlungen über die Freilassung der OSZE-Militärbeobachter - unter ihnen vier Deutsche -, die sich seit dem Wochenende in der Gewalt des selbsternannten Bürgermeisters von Slawjansk, Watschislaw Ponomarjow, befinden. Die Geiselnehmer haben zwar nach eigenen Angaben Fortschritte bei den Verhandlungen über die Freilassung der Gefangenen gemacht, einen Zeitrahmen für die Freilassung wollen sie jedoch nicht nennen. Ein OSZE-Beobachter war am Montag wegen seiner Diabeteserkrankung freigelassen worden. In den kommenden Tagen will OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier versuchen, bei den Geiselnehmern auch die Freilassung der übrigen Männer zu erwirken.

Die neuen Sanktionen von EU und USA sorgen auch in Moskau für heftige Reaktionen. Die Regierung erwägt Gegenmaßnahmen. "Solche unfreundlichen Angriffe (...) können nicht ohne eine Antwort bleiben, und ich glaube, es muss eine Antwort darauf geben", wird die Präsidentin des Föderationsrates und enge Putin-Vertraute aus St. Petersburg, Walentina Matwijenko, in der Nachrichtenagentur Interfax zitiert.

Putin stellt westliche Rollein Russlands Wirtschaft infrage

Die EU hat am Dienstag die Namen von weiteren 15 russischen Politikern und Militärsveröffentlicht, gegen die am Vortag Kontensperrungen und Visa-Beschränkungen verfügt worden waren. Auf der Liste finden sich auch Personen aus dem innersten Zirkel Putins wieder - wie etwa Vize-Ministerpräsident Dmitri Kosak oder Russlands Generalstabschef Valeri Gerassimow. Kosak habe die Integration der Krim in die Russische Föderation beaufsichtigt, hieß es in dem EU-Dokument zur Begründung. Gleiches gelte für Oleg Saweljew, Minister für Krim-Angelegenheiten.

Die EU verhängte auch gegen mehrere Anführer von prorussischen Separatisten-Gruppen in der Ostukraine Strafmaßnahmen - etwa gegen den Leiter der "Republik Donezk", Andri Purgin. Nicht auf der Liste steht der Geiselnehmer des OSZE-Teams, Ponomarjow. Anders als die USA hat die EU auch darauf verzichtet, wichtige russische Geschäftsleute sowie Firmen mit Sanktionen zu belegen. Ein Schlag ins Gesicht Putins ist vor allem der Name Igor Setschins - die US-Konten des Chefs des staatlichen russischen Ölkonzerns Rosneft und Putin-Intimus wurden gesperrt. Russlands Präsident konterte umgehend: Wenn die Sanktionen aufrechterhalten würden, müsse über die Rolle westlicher Unternehmen in Schlüsselindustrien der russischen Wirtschaft wie der Energiebranche nachgedacht werden. Für direkte Strafmaßnahmen gegen den Westen als Reaktion auf die Sanktionen der USA und der EU sehe Putin dagegen keinen Anlass.

Keine Berührungsängste mit der Moskauer Führung hat weiterhin der deutsche Ex-Kanzler Gerhard Schröder, der mit Putin in St. Petersburg seine Geburtstagsparty feierte. Dafür handelte er sich in Deutschland parteiübergreifend Kritik ein.