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Politische Altenpflege

Von WZ-Korrespondent Julius Müller-Meiningen

Politik

Silvio Berlusconi tritt seine Strafe als Pfleger in einem Altenheim an. Den wieder einsetzenden Rummel um seine Person könnte Italiens Ex-Premier im EU-Wahlkampf geschickt für sich nutzen.


Rom. Überpünktlich und mit ernstem Blick präsentierte sich Silvio Berlusconi am Freitagmorgen im Alten- und Pflegeheim von Cesano Boscone bei Mailand. "Silvio, Silvio", rief eine Frau hinter den Absperrungen, die für die mehr als 100 Journalisten aus der ganzen Welt aufgestellt waren. Italiens bekanntester Politiker stieg aus seiner dunklen Limousine, drehte sich nur kurz um und hob ohne sein übliches Lächeln die Hand zum Gruß. Das Institut Sacra Famiglia ist ab sofort der Schauplatz, von dem man nicht genau weiß, ob er wirklich der Resozialisierung eines einzigartigen Straftäters dienen kann. Oder ob es Berlusconi hier gelingt, sogar seine milde Bestrafung in einen Vorteil im EU-Wahlkampf umzuwandeln. "Silvio hat immer schon Bedürftigen im Verborgenen geholfen", ließ seine Freundin Francesca Pascale vorab wissen. "Ab heute weiß es die ganze Welt."

Mitarbeitern droht Entlassung bei Berlusconi-Fotos

Seit Freitag leistet der 77 Jahre alte Berlusconi mit der Betreuung von Demenzkranken und Alzheimerpatienten die Sozialstunden ab, die ein Mailänder Gericht zur Verbüßung seiner ursprünglich vier Jahre langen Haftstrafe wegen Steuerbetrugs in seinem Medienunternehmen Mediaset angesetzt hatte. Jeden Freitagmorgen, vier Stunden lang, vermutlich für zehn Monate. Aufgrund einer Amnestieregelung aus dem Jahr 2006 wurde die Strafe auf ein Jahr reduziert, bei guter Führung ist Berlusconi Anfang 2015 wieder sein eigener Herr. Den Medien ist der Zutritt zu dem Heim verboten. Den Mitarbeitern wurde bei Androhung ihrer Entlassung untersagt, Foto- oder Videoaufnahmen zu machen. Einzig ein als Clown verkleideter Gewerkschaftler protestierte und rief bei Berlusconis Ankunft: "Der Traum aller Arbeiter - Berlusconi in San Vittore." Dort steht das bekannteste Gefängnis Mailands. Nach vier Stunden verließ Berlusconi die Einrichtung gut gelaunt wieder. Er lächelte und winkte den wartenden Journalisten zu. Dem Fernsehsender Telelombardia sagte er: "Es waren vier intensive Stunden. Ich habe Witze erzählt und über Fußball gesprochen."

Dass Berlusconi bisher wie ein Straftäter behandelt würde, kann man nicht behaupten. Seit Tagen lässt der Ex-Ministerpräsident im Hinblick auf die Europawahl keine Gelegenheit für TV-Auftritte und Interviews aus. Seine Botschaft an den harten Kern seiner Wählerschaft lautet: "Trotz Verfolgung durch die Justiz gebe ich nicht auf." Noch am Donnerstag hatte er in einem Radiointerview zu einem Rundumschlag gegen seine politischen Gegner angesetzt. Auch auf die Justiz schimpfte Berlusconi. Der sogenannte Ruby-Prozess, bei dem er wegen bezahltem Sex mit einer Minderjährigen bereits in erster Instanz zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, sei "eine Farce". "Bei allem, was ich getan habe, müsste ich bald heiliggesprochen werden", sagte der Politiker, der sich einst als "Gesalbter des Herrn" bezeichnet hatte, wohl nur halb im Scherz. Am Abend in einer TV-Show gab sich Berlusconi bereits milder. Seine Anwälte befürchten, dass die Richter die Sozialstunden in Hausarrest umwandeln könnten.

Berlusconis Partei dümpeltbei 20 Prozent

In den Umfragen liegt seine Partei Forza Italia bei unter 20 Prozent, einer der schlechtesten Werte in der Parteigeschichte. "Angriff der Justiz", titelte Berlusconis Hausblatt "Il Giornale" im Hinblick auf mehrere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft aus den vergangenen Tagen, bei denen mehrere Vertraute des Politikers festgenommen wurden.