Zum Hauptinhalt springen

Grüne Schlammschlacht

Von Clemens Neuhold

Politik

Offizielle Unterstützung der Partei für Reimon? Sprecher verneint.


Wien. Hinter den Kulissen der Grünen tobt ein Match um das zweite Ticket ins EU-Parlament. Wie die "Wiener Zeitung" berichtete, startet der burgenländische Grünen-Politiker Michel Reimon einen Vorzugsstimmenwahlkampf gegen Madeleine Petrovic. Zwar ist Reimon Nummer zwei auf der Bundesliste hinter Ulrike Lunacek und Petrovic nur Nummer fünf. Doch mit genügend Vorzugsstimmen kann ihn die langgediente Öko-Poltitikerin überholen.

Nun beziehen die ersten bekannten Gesichter der Partei im internen Match Stellung. Wie berichtet, wird Peter Pilz aktiv um Stimmen für Reimon werben. Auf Anfrage meint auch die Korruptionsexpertin Gabi Moser, sie habe schon bei der Bundesliste Reimon favorisiert. Aktiv für ihn werben will sie aber nicht. "Beide sind sehr fähig und es ist gut, wenn es ein breites Angebot für die Wähler gibt."

Zentrale hofft auf Mobilisierungseffekt

Auf Twitter schreibt der grüne Gemeinderat Christoph Chorherr: "Der Reimon bekommt meine Stimme." Erstaunlicherweise favorisiert der Account der "Grünen Österreich" diese Meldung kurz darauf. Noble Zurückhaltung im Match zweier Kandidaten sieht anders aus. Hat Reimon gar die offizielle Unterstützung der Bundeszentrale? "Das ist keine offizielle Empfehlung, Michel Reimon eine Stimme zu geben, sondern wir unterstützen alle Kandidaten. Würde jemand Petrovic unterstützen, würden wir das auch liken. Petrovic spricht eine andere Zielgruppe an. Es geht um ein breites Gesamtpaket", betont der Grünen-Sprecher Oliver Korschill.

Tatsache ist, dass jede Stimme für Reimon oder Petrovic natürlich eine Stimme für die Grünen ist und das interne Generationenmatch den einen oder anderen Grün-Sympathisanten zur Wahl treiben könnte.

Reimon hofft auf die Netz-Community. Denn auf Twitter, Facebook und seinem Blog ist der globalisierungskritische Publizist zu Hause. Während sich dort zaghaft erste Unterstützer deklarieren, rennt Petrovic um Stimmen an der niederösterreichischen Basis, wo sie gut vernetzt ist - seit gestern mit Schuhen des Waldviertler Schuhproduzenten und Finanzrebellen Heini Staudinger. Der hat sich mit unorthodoxen Finanzierungsmodellen mit der Aufsicht angelegt und ist in der Ökobewegung mittlerweile ein Idol. Petrovic hat ihn besucht und ihm als Privatperson nun eni 3000 Euro-Darlehen überlassen. Sie grast außerdem die Tierschutzhäuser - in Wien ist sie Präsidentin - ab und holt sich Unterstützung vieler Bürgerinitiativen wie "Lebenswertes Traisental". Bekanntere Unterstützer will sie erst später nennen.

Wer nichts mehr zum grünen Match sagen möchte, ist Johannes Voggenuber. Der flog bei der EU-Wahl 2009 von der Bundesliste und startete daraufhin einen Vorzugsstimmenwahlkampf.

Ausgerechnet die Grünen Niederösterreich mit Petrovic lehnten dieses Vorgehen damals strikt ab. Das ist aber nicht der einzige Kritikpunkt am jetzigen Manöver der Niederösterreicher. Auf Twitter schreibt Reimon-Intimus, der grüne Wiener Wirtschaftssprecher Hans Arsenovic: "Schade für die Kolleginnen aus Niederösterreich um die Projekte, die sie mangels Geld nicht umsetzen können." Er spielt darauf an, dass die Grünen Niederösterreich mit 150.000 Euro für den EU-Wahlkampf ihre Kandidatin pushen. Dafür gibt es aber keine Wahlkampfkostenrückerstattung, denn diese erhält nur die Bundespartei. Sowohl die Grünen Niederösterreich wie auch Korschill sehen darin aber kein Problem. "Im Parteienfinanzierungsgesetz Niederösterreich steht nicht, dass man Geld nicht für EU-Wahlkämpfe verwenden kann. Madeleine macht einen Wahlkampf für die Grünen. Außerdem nutzen wir die EU-Wahl als Zwischenwahlkampf für die Gemeinderatswahlen", sagt der NÖ-Geschäftsführer Hikmet Arslan.

Der Experte für Parteienfinanzierung, Hubert Sickinger, sieht sehr wohl juristische Probleme. "Das ist ein Graubereich. In Salzburg wäre es definitiv nicht erlaubt. Dort darf Geld der Landesparteien nur für die politische Willensbildung in Land und Gemeinde ausgegeben werden." Das entspreche punktgenau der verfassungsrechtlichen Vorgabe im Parteiengesetz und der Regelung auf Bundesebene. Dort sind die Mittel ausdrücklich für die politische Willensbildung auf Bundesebene zweckgewidmet.

"Nimmt man die grüne Argumentation, könnte man umgekehrt fragen, ob auch Bundesparteien Landtagswahlkämpfe aus staatlichen Mitteln bezahlen dürfen." Das hieße aber auch, dass künftig etwa die Neos die staatliche Parteienfinanzierung der Bundespartei für Landtagswahlkämpfe verwenden könnten. "Das würde die Zweckwidmung der staatlichen Parteienfinanzierung - nur für die Bundes- oder Landesebene - völlig aushebeln."

Sickinger ist eifriger Twitterant wie Reimon. Ob er sich wegen der Twitter-Bekanntschaft mit seiner Expertise für Reimon in die Schlacht wirft? "Das ist eine gewagte Interpretation. Ich weise auf juristische Probleme hin, wo ich sie sehe.  Des öfteren sind auch Leute, mit denen ich gut kann, über meine Standpunkte nicht sehr erfreut."