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Russland wehrt sich gegen "Dollar-Würgegriff"

Von Gerhard Lechner

Politik

Moskau will Käufer von russischem Öl und Gas nur mehr in Rubel zahlen lassen.


Wien/Moskau/Kiew. Russland arbeitet an Gegenreaktionen auf die Sanktionen des Westens: Die Regierung in Moskau will Käufer von russischem Öl und Gas künftig in Rubel zahlen lassen. An der Umsetzung des Vorhabens werde bereits gearbeitet, informierte Finanzminister Anton Siluanow. Der Minister sagte, sein Plan berge zwar Risiken, weil der Rubel schwankungsanfällig sei, und es dürften wohl auch Kosten für den Rubel-Tausch anfallen, was zulasten der Wettbewerbsfähigkeit russischer Firmen gehe. Gleichwohl wolle er diesen Weg gehen.

Siluanows Stellvertreter Alexej Moiseew hatte zuletzt erklärt, die Regierung spreche bereits mit den staatlich kontrollierten Konzernen über eine Umstellung der Rechnungslegung. Dabei stehe es dem Käufer frei, in welcher Währung er zahle. Auf dem Konto des russischen Verkäufers dürften aber nur Rubel eingehen. Das bedeute, dass irgendwo in dem Zahlungsprozess eine Bank zwischengeschaltet sein müsse, die eine ausländische Währung in Rubel tausche. Für privat geführte Firmen soll das Moiseew zufolge voraussichtlich aber nicht gelten. Der Chef der zweitgrößten russischen Bank VTB, Andrej Kostin, hatte eine solche Rubel-Idee bereits im April unterstützt. Damit könne "der Würgegriff des Westens auf die russische Wirtschaft gemildert" werden. "Westliche Staaten haben zur Isolierung Russlands aufgerufen, womit sie praktisch den russischen Bankensektor zerstören", sagte Kostin. "Mit dem Dollar benutzen sie dazu so etwas wie moderne Atomwaffen." Die USA haben als Reaktion auf Russlands Vorgehen in der Ukraine-Krise Sanktionen erlassen, die bewirken, dass US-Banken Dollar-Transaktionen von 18 russischen Firmen nicht mehr ausführen. Zudem haben die USA mit einer Ausweitung der Strafmaßnahmen gedroht. Russland fürchtet einen Ausschluss seiner Großkonzerne von grenzübergreifenden Geldtransfers.

Trotz dieser russischen Strafmaßnahmen, die dem Westen bei einer Ausweitung der Sanktionen gegen Russland drohen, zeigen sich EU-Staaten wie Polen davon unbeeindruckt. "Wenn wir jetzt nicht agieren, wird der Preis morgen höher sein", sagte der polnische Botschafter Artur Lorkowski am Mittwoch vor Journalisten in Wien. Lorkowski räumte ein, dass Wirtschaftssanktionen "für beide Seiten teuer werden". Auch für Polen gehe es dabei um Exporte in Milliardenhöhe, etwa im Lebensmittelbereich.

Polen will EU-Energieunion

Zur langfristigen Lösung der Probleme im Energiebereich mit Russland verwies der Botschafter auf das von der Regierung in Warschau ausgearbeitete Projekt einer EU-Energieunion. Deren Hauptziel sei es, die EU von Energieimporten unabhängig zu machen. Durch eine rechtliche und physische Integration der Gasmärkte und ein gemeinsames Auftreten gegenüber Lieferanten wie Gazprom sollen die Preise gedrückt werden. Lorkowski pochte vor allem auf faire Marktbedingungen. Die russische Gazprom habe eine ähnlich beherrschende Stellung wie früher die Firma Microsoft bei PC-Betriebssystemen. Es sollten auch neue Gaslieferanten gewonnen werden, darunter auch der Iran. Der wichtigste Lieferant wären aber die USA.

Für die ukrainische Wirtschaft ist die derzeitige Krise jedenfalls eine Katastrophe. Die Wirtschaftsleistung des Landes werde dieses Jahr um sieben Prozent einbrechen und 2015 stagnieren, erklärte die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) in Warschau. Zuvor hatte die Bank der Ukraine noch ein Wachstum von 1,5 Prozent im laufenden Jahr vorhergesagt. Auch Russlands Wirtschaft ist betroffen: Sie wird der Prognose zufolge 2014 weder wachsen noch schrumpfen. Die Lage gefährde den Aufschwung in der gesamten Region und könne ihn sogar "komplett zum Stillstand bringen", warnte die EBRD. Noch weiter geht die Bank in einem Szenario, für das sie unter anderem
finanzielle Sanktionen gegen Russland einberechnete. Sollte es dazu kommen, würde die Rezession in der Ukraine noch schlimmer ausfallen und auch die russische Wirtschaftsleistung würde schrumpfen, erklärte die Bank. "In diesem Fall würde die Krise zwischen Russland und der Ukraine beginnen, sich auf die Weltwirtschaft auszuwirken."

Runder Tisch ohne Rebellen

In Kiew fand unterdessen unter Vermittlung der OSZE ein Runder Tisch statt. Der Pferdefuß dabei: Die Abgesandten der prorussischen Separatisten im Osten des Landes waren nicht eingeladen. Die Führung in Kiew hatte sich dagegen ausgesprochen, mit Leuten, die Blut an ihren Händen hätten, an einem Tisch zu sitzen. Somit war das Treffen ein innerukrainischer Dialog unter Ausschluss der Gegenseite: Vertreter der Übergangsregierung und des Parlaments, Geistliche, Wissenschafter und Wirtschaftsvertreter nahmen daran teil, auch die beiden Ex-Präsidenten Leonid Krawtschuk und Leonid Kutschma. Nach zweieinhalb Stunden ging die Sitzung ohne greifbares Ergebnis zu Ende. Weitere Gespräche sind für Samstag geplant.