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Bilderbuchkarriere

Von Johannes Wetzel

Politik

Der ehemalige Mitterand-Mitarbeiter Mathieu Gallet übernimmt die Führung von Frankreichs öffentlichem Rundfunk.


Paris. Am 12. Mai werden die mehr als 4000 Mitarbeiter in Frankreichs öffentlichem Rundfunk einen neuen Chef bekommen: Der 37-jährige Mathieu Gallet tritt für eine fünfjährige Amtszeit die Nachfolge des 62-jährigen Jean-Luc Hees an. Ein Generationenwechsel, der auch auf eine erneute Änderung des Verfahrens zurückzuführen ist, nach dem die Präsidenten des staatlichen Rundfunks und Fernsehens auf ihre Posten berufen werden.

In der Hand der CSA

Jean-Luc Hees hätte den Job gerne noch einmal gemacht. 2009 war er de facto vom damaligen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy berufen worden. Sarkozy hatte das Rundfunkgesetz geändert und die Besetzung der Chefposten im staatlichen Rundfunk und Fernsehen der Regierung übertragen. Bis dahin war dies noch die Aufgabe des "Hohen Rats für Audiovisuelle Medien" (CSA) gewesen. Zweifel an der Unabhängigkeit und Legitimität von Jean-Luc Hees und seinem noch amtierenden Kollegen Rémy Pflimlin, dem Chef des staatlichen Fernsehens, waren damit allerdings vorprogrammiert.

Vorbereitet hatte die ungute Reform ein junger Mitarbeiter des damaligen Kulturministers Frédéric Mitterrand: Mathieu Gallet. Die Regierung von Staatspräsident François Hollande machte im Herbst schließlich alles wieder rückgängig. Die Berufung liegt seither wieder in der Hand des CSA, dessen neun Mitglieder zu gleichen Teilen vom Präsidenten des Senats, der Nationalversammlung und vom Staatschef ernannt werden. Dieses Gremium war es nun, das Gallet vor einigen Wochen auf Anhieb einstimmig wählte.

Hees hinterlässt seinem Nachfolger ein Haus in geordnetem Zustand. Unter dem Dach des emblematischen Rundbaus unweit des Eiffelturms sind insbesondere die Sender France Inter, France Culture, France Musiques, France Bleue und France Info untergebracht.

Die jüngste Messung der Einschaltquoten im ersten Quartal des Jahres ergab, dass die Sender von Radio France gemeinsam 22,4 Prozent der Rundfunkhörer erreichen. Eine Zahl, die seit Jahren ziemlich konstant ist.

Das Flaggschiff France Inter mit gemischter Fracht trägt dazu eine Einschaltquote von 8,9 Prozent bei. Star unter den Sendungen ist die allmorgendlich zwischen 7 und 9 Uhr auf France Inter ausgestrahlte Nachrichtensendung "Matinale", die erfolgreichste Frankreichs: 14,4 Millionen Hörer schalten wochentags um 8 Uhr diese Sendung ein.

Insgesamt besser als France Inter steht nur der Generalist RTL (11,2 Prozent) da. Dahinter folgen Europe 1 (8,1 Prozent), ebenfalls ein Generalist, der zur Lagardère-Gruppe gehört, sowie der Musiksender NRJ (7,7 Prozent).

"Wie aus einem Roman"

Zum Ergebnis von Radio France tragen neben France Inter auch der auf Lokalberichterstattung spezialisierte Sender France Bleue (6,7 Prozent) und der Nachrichtensender France Info (3,4 Prozent) bei. Bescheiden bleiben der Kultursender France Culture (1,4 Prozent) und der Sender für klassische Musik, France Musiques (1,0 Prozent).

Der neue Chef Mathieu Gallet hatte sich gegen fünf weit erfahrenere Konkurrenten durchgesetzt. Anders als für diesen Posten üblich, ist Gallet auch weder Absolvent der Kaderschmiede ENA noch Journalist: Er startete mit nichts als einem politikwissenschaftlichen Diplom und ersten Berufserfahrungen in der Musik- und Filmbranche sowie im Haushaltsministerium.

Die französischen Zeitungen verbreiten sich nun über eine Karriere "wie aus einem Roman", die mit seinem Eintritt ins Kulturministerium begann. Denn sein Mentor, Ex-Kulturminister Mitterrand, bekannte in seiner Bilanz nach dem Ausscheiden aus dem Amt nach dem Ende der Ära Sarkozy, dass er dem Charme dieses jungen Mannes erlegen war: Er ernannte seinen Mitarbeiter zum Chef des "Institut national de l’audiovisuel" (INA), das mit dem Archivieren von Rundfunk- und Fernsehsendungen beauftragt ist. Bösen Stimmen zum Trotz reüssierte Gallet in den zurückliegenden vier Jahren. Seine intellektuellen, menschlichen, diplomatischen Fähigkeiten, wohl auch sein gutes Aussehen, und schließlich seine Pläne überzeugten nun den CSA.

Orchesterplanung

Gallet will die digitale Seite von Radio France verbessern und das Haus "wie ein Unternehmen" managen, um die Quoten zu verbessern. Er wird auch mit einem zunehmend engen Budget von insgesamt 660 Millionen Euro arbeiten müssen. Zu den besonders heiklen Aufgaben, die ihm bevorstehen, gehören daher die Zähmung der immer streikbereiten Gewerkschaften und die Zukunftsplanung für die beiden Rundfunkorchester: das Orchestre National de France, das vor 80 Jahren zur Pflege insbesondere französischer Musik gegründet wurde, und das weltoffenere Orchestre Philharmonique de Radio France.

Das Nationalorchester unter Daniele Gatti zeichnete sich durch Chefdirigenten wie Kurt Masur, Charles Dutoit, Lorin Maazel, Sergiu Celibidache oder Charles Münch aus. Das Philharmonische Orchester reüssiert derzeit unter Myung-Whun Chung.

Während es der Sparzwang nahelegen würde, die beiden Ensembles zusammenzuführen, wächst hingegen die Konkurrenz zwischen ihnen: Im November wird Radio France erstmals über einen eigenen Konzertsaal verfügen. Und Streit um den Vorrang am neuen Ort sorgt bereits für Misstöne.