Zum Hauptinhalt springen

Tschechische Innenpolitik bestimmt Europawahl

Von WZ-Korrespondentin Alexandra Mostýn

Politik

Protestbewegung um Lebensmitteltycoon wirbt mit qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln und einem ehemaligen EU-Kommissar.


Prag. Zwar mag Straßburg draufstehen, drin ist aber Prag: Bei den Wahlen zum Europaparlament, die in Tschechien schon am kommenden Freitag und Samstag stattfinden werden, geht es nur oberflächlich um Europa. Für rekordverdächtige 38 Parteien und Wahlbündnisse kämpfen insgesamt 857 Kandidaten um Tschechiens 21 Sitze im 766-köpfigen Europaparlament.

Blickt man unter die Phrasen und Versprechungen, so entpuppt sich der Europawahlkampf als innenpolitisches Gerangel.

Allen voran die Koalitionspartner der regierenden Sozialdemokraten und der Protestbewegung ANO des Milliardärs Andrej Babi. Für beide Parteien, die innerhalb der Regierung miteinander um die Macht im Staat konkurrieren, gilt die Europawahl als ein Barometer der Wählergunst.

Ganz oben steht Babi’ ANO: Einer neuen Umfrage der Meinungsforschungsagentur Sanep zufolge liegt sie in der Wählergunst bei 25 Prozent, immerhin knapp fünf Prozent vor den Sozialdemokraten, die laut Umfrage einen Stimmanteil von 20,2 Prozent einfahren sollten. Der Schwerpunkt der ANO-Wahlkampagne liegt dabei vor allem darin, Tschechien als ein selbstbewusstes EU-Mitglied darzustellen: Die Wahlversprechen setzen auf die Qualität tschechischer Lebensmittel - kein Wunder, wenn man bedenkt, dass diese zu einem großen Teil von Firmen produziert werden, die der Holding von ANO-Chef Babi Agrofert gehören - und die Verheißung, Tschechien zu einer wichtigen Figur im Straßburger Schach zu machen. Wie immer setzt die ANO dabei auf starke Persönlichkeiten. Ihr Spitzenkandidat Pavel Telicka hat einst als Unterhändler der Tschechischen Republik deren EU Beitritt ausgehandelt, war kurz EU-Kommissar (Verbraucherschutz) und danach Lobbyist in Brüssel. Das Parkett, auf dem er in Zukunft zweifelsohne tanzen wird, ist dem passionierten Rugbyspieler also bestens bekannt. Im Gegensatz zum Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten, dem Soziologen Jan Keller. Der Akademiker mit dem vollen Schnauzbart und dem Vokuhila-Schnitt wirkt nicht nur äußerlich vollkommen anders als der aalglatte, durchtrainierte Telicka. Mit Phrasen, wie "keine Sklavenhaltung", "Arbeit, die ein Leben ermöglicht" und der obligaten Bankenschelte bemüht sich Keller zu punkten.

11 Prozent für Schwarzenberg

Punkte sammeln will auch die frühere konservative Regierungspartei ODS, die nach dem schmachvollen Fall der Regierung Necas und mehreren Klüngelaffären immer mehr zu einer Randpartei wird. Eine Stellung, die die EU-Wahlen noch weiter zementieren wird: Umfragen bescheren der einst mächtigen ODS einen Stimmanteil von gerade mal 5,4 Prozent. Ob ihr Wahlkampfthema die Partei in der kommenden Woche aus dem Keller ziehen wird, bleibt abzuwarten: Mit dem Versuch, die Europawahl zu einem Referendum über die Euroeinführung hochzustilisieren, versucht die ODS Wähler zu locken.

Dabei wird es die euroskeptische ODS wurmen, das ihr ehemaliger kleiner Koalitionspartner Top 09 ihr den Rang als beliebteste konservative Partei des Landes auf einer pro-europäischen Schiene abgelaufen hat. TOP 09 liegt derzeit bei knapp 11 Prozent der Wählergunst. Und das mit einer ganz einfachen Nachricht ihres Vorsitzenden Karel Schwarzenberg: Hustet nicht auf Europa!