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Wer, wenn nicht Farage?

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Bei den britischen Buchmachern gilt Nigel Farage als haushoher Favorit bei den EU-Wahlen. Der Ukip-Chef mobilisiert vor allem die Enttäuschten.


London. Bei den Wettbüros Großbritanniens gab es am Donnerstag nur einen Favoriten. Nigel Farage, der Vorsitzende der britischen Unabhängigkeits-Partei Ukip, darf sich allen Bookies zufolge auf einen Triumph bei den EU-Wahlen freuen. Mit dem ihm eigenen breiten Grinsen trat Farage, der als prominentester Europa-Gegner auf der Insel gilt, denn auch schon am frühen Donnerstagmorgen in seinem Wahllokal im Örtchen Cudham am Südrand Londons zur Stimmabgabe an. Der Ukip-Chef hat seit Wochen prophezeit, dass er alle anderen Parteien schlagen und "den vergessenen Bürgern im Lande" zu einer starken Stimme verhelfen würde.

Wie üblich - und zusammen mit den Wählern in Holland und Kroatien - eröffneten die Briten gestern den Reigen zu den EU-Wahlen. Donnerstag ist der traditionelle Wahltag der Insel. Das Ergebnis darf allerdings erst am Sonntagabend bekannt gegeben werden. Bis dahin trösten sich die Briten mit der Auszählung der Stimmen aus den landesweiten Kommunalwahlen, die ebenfalls am Donnerstag stattfanden. Der Ruf zu den Kommunalwahlen sollte zumindest die Wahlbeteiligung einigermaßen stabilisieren helfen. Mehr als 35 Prozent der Berechtigten werden zu einer Europawahl im Vereinigten Königreich letztlich nicht erwartet.

Genau das zeichnete sich gestern schon in vielen Landesteilen ab. Gähnende Leere herrschte in manchen Wahllokalen. In der Hauptstadt selbst wechselte zögernder Sonnenschein mit heftigen Wolkenbrüchen. Ein Gutteil der Stammwähler Labours, der Konservativen und der Liberalen beschloss daher offenbar, einfach zu Hause zu bleiben.

Vor allem Tories und Liberaldemokraten, die beiden Regierungsparteien, rüsten sich für ein miserables Ergebnis bei diesen Wahlen. Die Liberaldemokraten könnten sämtliche elf Sitze verlieren, mit denen sie bisher im Europa-Parlament vertreten waren.

Die oppositionelle Labour-Partei hofft auf ein passables Ergebnis - gewissermaßen als Testlauf für die nationalen Wahlen, die in genau einem Jahr stattfinden werden. Aber "die andere Oppositionspartei", eben Ukip, hofft, die Partei der linken Mitte noch in den Schatten zu stellen. Nigel Farage hat sich in den vergangenen Wochen eine glänzende Ausgangsposition verschaffen können, die letzten Umfragen prophezeien ihm zwischen 25 und 35 Prozent. Mit einem entsprechenden Ergebnis könnte er sein bisheriges Dutzend Sitze glatt verdoppeln. Er würde das Lager der EU-Gegner und Rechtspopulisten aus ganz Europa im neuen Parlament erheblich verstärken - auch wenn er sich mit den anderen europakritischen Parteien über eine feste Allianz vorläufig nicht ganz einig ist. Denn Farage möchte sich bei aller Radikalität gern die Aura einer gewissen politischen Korrektheit erhalten.

Wie schwierig das ist, ist ihm in der Endphase seines Wahlkampfs bewusst geworden. Seine Bemerkung, er fände es leichter, deutsche als rumänische Kinder in der Nachbarschaft zu haben, hat ihm den Vorwurf unverhüllter Voreingenommenheit eingetragen. Für seine Anhänger spielt das allerdings ohnehin keine allzu große Rolle. Laut allen Umfragen wird Ukip vor allem deshalb gewählt, weil viele Briten der Meinung sind, dass die großen Parteien nichts gegen das sinkende Lebensniveau und "die Verfremdung" Englands unternommen haben.