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Identitäre Allianz im EU-Parlament

Von Clemens Neuhold und Birgit Holzer

Politik

Eine langfristige Zusammenarbeit der Rechtspopulisten im EU-Parlament ist sehr wahrscheinlich.


Wien. "Identitär". Dabei denkt man an die rechtsradikale Gruppe der Identitären, die in Wien marschierte und Zusammenstöße zwischen linken Gegendemonstranten und der Polizei auslöste. Doch diese Gruppe wird in Europa keine Rolle spielen. Ganz im Gegenteil zum Front National, der FPÖ, dem belgischen Vlaams Belang, den Schwedendemokraten, der holländischen Partei von Geert Wilders, der italienischen Lega Nord und der slowakischen SNS.

Diese Parteien sind "identitär, brüsselkritisch, islamkritisch", sagt der langjährige EU-Abgeordnete der FPÖ Andreas Mölzer (siehe Interview). Und diese "identitären" Parteien werden nach den EU-Wahlen höchstwahrscheinlich eine gemeinsame Fraktion im EU-Parlament bilden - unter dem Namen Europäische Allianz der Freiheit, kurz EAF. Als eigene Fraktion haben sie mehr Einfluss, können Ausschüsse beschicken, Berichte und Anträge einreichen.

Vorläufer zerbrach an Zuwandererfrage

Solch eine Fraktion gab es schon einmal 2007 unter einem Namen, der ebenfalls die Identität hochhielt: "Identität, Tradition, Souveränität", kurz ITS. Doch sie löste sich nach nur wenigen Monaten auf. Grund war der Protest einiger ITS-Mitglieder gegen rumänische Zuwanderer. Das konnte der rumänische Partner nicht akzeptieren und zog aus. Damit verlor die ITS die Fraktionsstärke.

Das wird diesmal nicht passieren. Denn alleine der Front National kann am Sonntag mit mindestens 16 Mandaten der nötigen 25 rechnen. Die FPÖ darf mit drei bis vier Mandaten rechnen, drei Mandate bringt auch Geert Wilders, der allerdings schlechter Abschnitt als erwartet (In Holland wurde bereits am Donnerstag gewählt, Update, 23.5.).

Durch die Stärke des Front National wird die neue Fraktion außerdem stabiler und ist weniger abhängig von einzelnen Parteien aus Osteuropa. Denn für die Fraktion braucht es Abgeordnete aus sieben Ländern. Das heißt, scheidet eine Partei im Streit aus, kann diese durch fraktionslose Abgeordnete ersetzt werden.

Die EAF gibt es als Vorläufer der künftigen Parlamentsfraktion bereits seit 2010. Präsident ist der Europa-Abgeordnete der FPÖ, Franz Obermayr. "Es schaut sehr gut aus. Wir treffen uns gleich in der Woche nach der Wahl." In Brüssel habe es schon zahlreiche Treffen mit Mitarbeitern der anderen Parteien, unter anderen dem Büroleiter von Front National-Chefin Marine Le Pen gegeben. Obermayr skizziert grob die mögliche Stoßrichtung der Rechten: Gegen Zentralisierung, für mehr nationale Souveränität, für einen Austritt von Problemländern aus dem Euro, stattdessen für einen "Währungsrelationsverbund" aus Ländern wie Österreich, Deutschland oder Holland. Ob Frankreich Teil dieses Verbunds sein solle, sei noch "offen". Ob der Front National, der die Fraktion dominieren wird, einen Währungsbund ohne Frankreich als Affront sieht, wird sich beim Erstellen des gemeinsamen Manifestes freilich noch zeigen.

Le Pen will Vorsitzende der Rechts-Allianz werden

Der Pressesprecher von Le Pen, Ludovic de Danne, fordert auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" einen Ausstieg aus dem Euro. Denkbar sei aber ein Euro für internationalen Handel beizubehalten. Die kommende Allianz sehe Le Pen als "erste Etappe, um zu einem radikalen Wechsel innerhalb der EU aufzurufen". Le Pen will eine von zwei Vorsitzenden werden.

Die Tochter von Parteigründer Jean Marie Le Pen hat aufgerufen, die EU "zu blockieren", sie wünsche sich aber kein komplettes Ende der EU, sondern eine Kooperation der Nationen, "die bis Russland reichen kann" und ein Ende der "Unterwerfung unter die USA", sagt de Danne. Man sei nicht gegen Europa, nur gegen die EU in ihrer jetzigen Form und das "bürokratische Monster". Als Ultima Ratio können sich Le Pen und Obermayr Referenden über den Verbleib in der EU vorstellen.

Eine monströse Äußerung gab unterdessen Jean Marie Le Pen von sich. Der 85-Jährige prangerte am Dienstag im Beisein mehrerer Journalisten die "Bevölkerungsexplosion" in vielen Teilen der Welt an, die die europäische Bevölkerung verdrängen würde. "Durchlaucht Ebola kann das in drei Monaten regeln", sagte er. Ebola ist ein tödlicher Virus, der erstmals in Afrika ausbrach.

Damit stellt Le Pen Mölzers Warnung vor einem "Negerkonglomerat" in den Schatten. Mölzer musste wegen mehrerer Sager als EU-Spitzenkandidat abtreten. Von diesen hatte sich Marine Le Pen noch distanziert. Von den Aussagen ihres Vaters distanziert sie sich nicht. Auch der Sprecher von FPÖ-Chef Strache verrät trotz mehrfacher Nachfrage nicht, was Strache zu den Aussagen aus der künftigen Partnerfraktion sagt. Nur Obermayr spricht: "Jean Marie Le Pen hat erklärt, er habe es anders gemeint. Warum soll ich das bezweifeln?"

Marine Le Pen, die einen moderateren Kurs als ihr Vater fährt, gibt den Medien die Schuld: Die Aussagen seien manipuliert und aus dem Kontext gerissen, sagt de Danne zur "Wiener Zeitung". Die Parteichefin werde nicht das Spiel der Medien mitspielen.