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Die neue dritte Kraft

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Nach seinem Triumph beim EU-Votum zielt Ukip-Chef Nigel Farage nun auf das britische Unterhaus.


London. Für Nigel Farage ist in den vergangenen Tagen "ein Traum Wirklichkeit geworden". Seine UK Independence Party (Ukip) sieht sich seit Montag als "neue dritte Kraft in der britischen Politik". Mit einem sensationellen Sieg hat die Ukip bei den Europawahlen in Großbritannien alle etablierten Parteien überflügelt. Die Partei, die aus dem Nichts kam, errang 28 Prozent der Stimmen - und wird mit zwei Dutzend Sitzen ins EU-Parlament in Straßburg einziehen. Die "andere" Oppositionspartei, die sozialdemokratische Labour Party, kam dagegen nur auf 25 Prozent. Die regierenden Konservativen von David Cameron blieben mit 24 Prozent knapp hinter Labour zurück.

Es ist das erste Mal in mehr als hundert Jahren, dass weder Labour noch Tories eine landesweite Wahl auf den Britischen Inseln gewonnen haben. Noch dazu wurden sie geschlagen von einer Protest-Bewegung, die bisher über kein einziges Mandat im britischen Unterhaus verfügt. Farage, der Wahlsieger, zeigte sich am Montag "vollkommen aus dem Häuschen". Endlich sei den Briten "aufgegangen, dass wir als Mitglied dieser Europäischen Union nicht über unsere eigenen Geschicke bestimmen können - und vor allem, dass wir keinerlei Kontrolle über unsere Grenzen haben". Bei den Unterhauswahlen im nächsten Jahr, versprach er, werde die Ukip auch ins britische Parlament einziehen. Ziel sei es, zum Zünglein an der Waage zu werden, wenn sowohl Labour als auch die Konservativen die absolute Mehrheit verfehlen sollten.

Die Ukip, die scharfe Beschränkungen bei der Einwanderung ins Vereinigte Königreich und den sofortigen Austritt des Landes aus der EU fordert, verzeichnete praktisch überall in England und Wales starke Zuwächse. Selbst in Schottland, wo sie "nur" ein Zehntel der Stimmen holte, errang die Partei ein Mandat für (oder gegen) Europa.

Wahlpakt mit der Ukip?

Die "alten" Parteien der britischen Politik leckten am Montag ihre Wunden. Bei Labour, das ohne London und Schottland noch hinter die Konservativen zurückgefallen wäre, herrschte Niedergeschlagenheit. Labour-Chef Ed Miliband hat seine Landsleute bisher offenbar nicht ausreichend von sich und seinem Kurs überzeugen können. Die meisten seiner Parteigänger bezweifeln daher bereits, dass Miliband ihnen 2015 einen Wahlsieg bescheren kann. Dem Vorsitzenden der Liberaldemokraten, Vize-Premierminister Nick Clegg, erging es allerdings noch um einiges schlechter. Seine pro-europäische Partei ist von elf Sitzen auf einen einzigen geschrumpft. In der Partei nahmen die Rufe nach einem Rücktritt Cleggs zu Wochenbeginn bereits zu.

Besser als ihr liberaldemokratischer Koalitionspartner, und auch besser als erwartet, schlugen sich die Konservativen. Obwohl viele Tory-Stammwähler diesmal Ukip wählten, vermochte Camerons Partei ein Desaster zu vermeiden. Seine Landsleute seien "einfach zutiefst desillusioniert", was die EU betreffe, sagte der Premierminister am Montag. Diese Botschaft der Wähler sei bei ihm "voll und ganz angekommen". Die euroskeptischen Abgeordneten der Konservativen drängen Cameron bereits zu einem Wahlpakt mit der Ukip und eine Annäherung an deren Positionen. "Es wäre doch zu traurig, wenn die beiden euroskeptischen Parteien bei der Unterhauswahl nicht einen Weg zur Verständigung fänden", meinte der wieder ins EU-Parlament gewählte rechte Tory-Repräsentant Daniel Hannan.

Cameron hat seiner Partei ein Referendum über die britische EU-Mitgliedschaft für 2017 versprochen. Vorher will er die EU-Partner zu einer Reform der EU überreden, die Großbritannien größere Eigenständigkeit garantieren soll. Doch nach dem Ukip-Erfolg dürften die Rufe wohl lauter werden, die Abstimmung vorzuziehen.