Ouistreham/Washington. (afp) Riesentribünen sind am Strand von Ouistreham aufgebaut, doch spannend ist, was hinter den Kulissen passiert. Denn das Gedenken zum 70. Jahrestag der Landung in der Normandie am heutigen Freitag bekommt angesichts der weltpolitischen Lage Brisanz: Unter den geladenen Gästen sind US-Präsident Barack Obama und Russlands Wladimir Putin, ihr Verhältnis wegen der Ukraine-Krise frostig ist wie nie.
Auch der neugewählte ukrainische Staatschef Petro Poroschenko kommt - viele hoffen auf Zeichen der Entspannung aus der Normandie. Seit Tagen gibt es pausenlos neue Ankündigungen, wer wann wen treffen wird. Möglichkeiten gibt es viele, schließlich reisen rund 20 Staats- und Regierungschefs zu den Zeremonien an die nordfranzösische Küste, neben Obama, Putin und Poroschenko auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der britische Premier David Cameron. Königin Elizabeth II. kam gestern am Pariser Gare du Nord an und wurde von Schaulustigen begeistert empfangen. Ein Gespräch zwischen Merkel und Putin ist fix eingeplant.
Mit besonderer Spannung aber wird verfolgt, wie Obama und Putin in der Normandie miteinander umgehen werden. "Ich habe keinen Grund anzunehmen, dass Präsident Obama nicht mit dem russischen Präsidenten reden will", warf der abgebrühte Putin in einem Interview mit französischen Medien kurz vor den D-Day-Feiern den Ball in das Feld seines US-Kontrahenten. "Es ist seine Entscheidung, ich bin zum Dialog bereit."
Obama aber will Putin wegen seines Vorgehens in der Ukraine auf keinen Fall ein formelles Gespräch gewähren, wie sein Umfeld betont. Schließlich habe der US-Präsident alles unternommen, um Putin international zu isolieren. Aufeinandertreffen werden die beiden indes auf jeden Fall. Zunächst im Schloss Benouville, wo Gastgeber François Hollande in kleinem Kreis ein festliches Mittagessen für die Ehrengäste gibt. Und anschließend bei der Hauptzeremonie am Strand von Ouistreham - da allerdings in einem deutlich weniger intimen Rahmen: Erwartet werden 9000 Gäste.
Putin, der bereits gestern Hollande und Cameron treffen wollte, dürfte es genießen, dass in der Normandie alle Augen auf ihn gerichtet sein werden. War er doch nach der einseitigen Eingliederung der ukrainischen Halbinsel Krim in russisches Staatsgebiet vom Gipfeltreffen ausgeladen worden: Anstelle des geplanten G8-Gipfels im russischen Sotschi wurde der G7-Gipfel ohne Putin für Mittwoch und Donnerstag in Brüssel anberaumt.
Nun gibt es das große Wiedersehen einen Tag später. Putin von den D-Day-Feiern auszuladen, wäre undenkbar gewesen, schließlich hatte kein Land im Zweiten Weltkrieg mehr Opfer zu beklagen als die Sowjetunion.
Das diplomatische Kräftemessen am Rande wird vermutlich den hunderten alliierten Veteranen die Show stehlen, die eigentlich am Freitag im Mittelpunkt der Zeremonie stehen sollen. Es wird für die allermeisten von ihnen wohl die letzte große Feier zum Gedenken an die Alliierten-Landung. Jeder der alten Herren wird zur Unterstützung zwei Soldaten an seiner Seite haben, hunderte Sanitäter sind vor Ort. Für die Sicherheit bei den Veranstaltungen - neben der Hauptzeremonie in Ouistreham - hier hatte ein französisches Kommando am Landungstag die Deutschen aus der Stadt vertrieben - gibt es eine französische Zeremonie zum Gedenken an die 20.000 zivilen Opfer des Kampfes um die Normandie sowie mehrere binationale Zeremonien - sollen 7500 Polizisten und 3600 Soldaten sorgen, den ganzen Tag über wird in einem 80 Kilometer langen und 20 Kilometer breiten Küstenstreifen der Verkehr erheblich eingeschränkt sein. Nichts soll die Gedenkfeiern stören - und die Krisenberatungen am Rande der Zeremonien.
G7 drohen mit weiteren Sanktionen
Am Tag vor den Feiern haben die G7 Russland mit weiteren Sanktionen gedroht. Das wäre dann der Fall, wenn sich Putin nicht intensiver um eine Deeskalation in
der Ostukraine bemüht, heißt es in der Abschlusserklärung. Als Bringschuld fordern die Staats- und Regierungschefs vier Punkte von Russland: Zusammenarbeit mit dem neuen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, Stopp des Zustroms von Separatisten und Waffen in die Ostukraine, Garantien für die Gasversorgung, vollständiger Abzug der Truppen von der ukrainischen Grenze. Russland kritisiert die
Erklärung der G7 umgehend als "zynisch". Moskau wirft dem Westen vor, die "Anti-Terror-Operation" der ukrainischen Führung zu unterstützen.