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Milch und Honig für das Armenhaus

Von WZ-Korrespondentin Marijana Miljkovic

Politik

Vor der Parlamentswahl am Sonntag dominieren wirtschaftliche Themen - und unrealistische Versprechen.


Prishtina. Glaubt man den Wahlversprechen der Politiker im Kosovo, wird in dem jungen Staat bald Milch und Honig fließen. Premier Hashim Thaci von der Demokratischen Partei (PDK) und sein Herausforderer Isa Mustafa von der Demokratischen Liga (LDK) überbieten sich förmlich vor der vorgezogenen Parlamentswahl am Sonntag. In einem Duell, wer mehr Arbeitsplätze verspricht, kündigt Thaci 200.000 neue Jobs an, Mustafa will allein in der Landwirtschaft 120.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Es sind Verheißungen der Politiker in einem europäischen Armenhaus. Offiziellen Angaben zufolge beträgt die Arbeitslosenquote 40 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit liegt sogar bei 60 Prozent.

Ökonomen halten die Versprechen für nicht sonderlich glaubwürdig. So sagte etwa der Wirtschaftsexperte Lumir Abdixhiku, dass der Kosovo ein jährliches BIP-Wachstum von 20 Prozent bräuchte, um die Ziele, die etwa Premier Thaci versprach, zu erreichen.

Dass die Wirtschaft im Wahlkampf derart in den Vordergrund rückt, ist eine neue Entwicklung auf dem Balkan. Bisher dominierten ethnische Konflikte und Staatsideologien die Veranstaltungen und Berichterstattung vor den Wahlen. Nun macht sich eine Änderung des Fokus bemerkbar, um nur ja keine Spannungen hervorzurufen, und der Kosovo ist dabei keine Ausnahme. Auch im serbischen Wahlkampf im März dieses Jahres streifte man die Kosovo-Frage kaum. In Mazedonien, wo im April vorgezogene Wahlen stattfanden, dominierte ebenfalls der wirtschaftliche Aufschwung den Wahlkampf, das Problem der zunehmenden Entfremdung der slawischen und albanischen Bevölkerung wurde ausgeklammert.

Auch im Kosovo ist im Verhältnis zwischen der albanischen Bevölkerung und der serbischen Minderheit noch lange nicht alles im Reinen. Ein gröberer Konflikt konnte nur wenige Tage vor der Wahl abgewendet werden, als sich die serbischen Gemeinden doch dazu entschlossen, am Votum teilzunehmen. Sie wollten die Wahl ursprünglich boykottieren, unter anderem deshalb, weil auf den Stimmzetteln das kosovarische Wappen abgedruckt ist.

Weiter Weg in die EU

Der Kosovo hatte sich im Jahr 2008 mit starker internationaler Hilfe für unabhängig erklärt, was weder der serbische Staat noch die serbische Bevölkerung im Kosovo anerkannt hatten. Ein Dialog zwischen Prishtina und Belgrad unter Vermittlung der EU trug erst in den vergangenen zweieinhalb Jahren Früchte. Im April 2013 einigten sich Hashim Thaci und sein damaliger serbischer Amtskollege, der nunmehrige Außenminister Ivica Dacic, auf ein Abkommen, das auf die Abschaffung serbischer Parallelstrukturen abzielte und eine Integration der Serben im Kosovo zum Ziel hatte. Die Übereinkunft wurde in Brüssel als historisch gefeiert und sicherte Serbien den Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der EU. Dem Kosovo steht aber noch ein weiter Weg Richtung Union bevor.

Deswegen werden die Wahlen als Test für Premier Thaci gesehen, sein Land näher an die Union heranzuführen. Die ersehnte Visa-Liberalisierung, die kosovarischen Staatsbürgern freie Einreise in EU-Länder ermöglichen sollte, konnte Thaci Brüssel nicht abringen. Ein Hindernis dafür sind Kosovos erfolglose Anstrengungen im Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität.

Laut Umfragen dürfte Thaci, einer der Gründer der Kosovo-Befreiungsarmee UCK, die in den 1990er Jahren für die Unabhängigkeit von Serbien kämpfte, dennoch die Wahlen ein weiteres Mal gewinnen. Demnach könnte er ein Drittel der Stimmen bekommen, und sein direkter Konkurrent Isa Mustafa etwa ein Viertel. Derweil schließt Mustafas LDK eine große Koalition mit Thacis PDK aus, auch wenn Thaci diese befürwortet.

Geht das Kräftemessen knapp aus, hätten beide Spitzenkandidaten eine breite Auswahl an Koalitionspartnern. Denn 30 Parteien und Bündnisse treten zur Wahl an. Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung haben die nationalistische Partei Vetevendosje (Selbstbestimmung) sowie die Partei des einstigen Premiers und ehemaligen Angeklagten des UNO-Kriegsverbrechertribunals Ramush Haradinaj, die Allianz für die Zukunft AAK.

Auch serbische Parteien sind mit eigenen Listen vertreten, der Minderheit sind mindestens zehn von 120 Parlamentssitzen sicher. Noch weitere zehn Mandate stehen verschiedenen Minderheiten zu, wobei auch diese Sitze von Serben besetzt werden können. Wenn die Serben zur Wahl gehen, dann sollen sie aber auf den Wahlzetteln das Staatswappen des Kosovo übermalen, sagte der Kosovo-Beauftrage der serbischen Regierung, Marko Djuric, am Freitag im Belgrader TV-Sender B92. Damit könnten die Serben die Gültigkeit ihrer Stimmzettel jedoch gefährden.