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Statt "Bad Guy" landet ein Friedfertiger - Putin sorgt in Wien für Überraschung

Von Michael Schmölzer

Politik

Wendepunkt in der Ukraine-Krise? - Putin schließt militärischen Einmarsch aus - Zeichen stehen auf Entspannung.


Wien. Von allen Seiten hagelte es Kritik am Besuch des russischen Staatschefs Wladimir Putin in Wien. Der kam just zu einer Zeit, in der die EU wegen der Ukraine-Krise über neue, harte Sanktionen gegen Moskau nachdenkt. Auch die US-Botschaft mahnte Österreich und stellte indirekt die Frage, ob das Treffen angesichts der russischen Aggression die einheitliche Linie der USA und Europas sabotiere. Deutliche Worte fand auch Schwedens Außenminister Carl Bildt. In der EU gebe es eine schriftliche Übereinkunft, dass in der jetzigen Situation kein EU-Land derartige Staatsbesuche auf eigene Faust durchführen solle. "Ganz offensichtlich will Putin die EU spalten. Das weiß man auch in Wien, das ist nichts Neues. Das versuchen die Russen immer, wenn sie in einer schwierigen Lage sind", so Bildt. Der litauische Außenminister Linas Linkevicius schloss sich dieser Auffassung an.

"Normalisierung"

Doch die Kritiker haben sich in diesem Fall geirrt. Putin nutzte den Besuch in Wien, um dem Westen ein Friedensangebot zu machen. Denn noch bevor die Iljuschin IL96-300PU des Präsidenten Kontakt mit der Schwechater Landebahn aufnahm, sorgte der unberechenbare Mann im Kreml für eine Überraschung: Er verfügte, dass die Erlaubnis des Rates der Föderation, wonach russische Truppen in der Ukraine eingesetzt werden dürfen, zurückgenommen wird. Das, so Putin in einem Brief an die Vorsitzende des Rates, Walentina Matwijenko, geschehe "zum Zweck der Normalisierung der Lage und der Regulierung der Situation in den östlichen Regionen der Ukraine und im Zusammenhang mit Dreiparteiengesprächen zu dieser Frage".

Damit ist ein Einmarsch russischer Truppen in der Ostukraine, die Hauptsorge der Nato in den letzten Wochen, vorerst vom Tisch. Und Putin macht gleichzeitig klar, dass es tatsächlich Friedensgespräche mit der Ukraine unter Einbeziehung der Europäischen Union geben wird.

Dieses "Dreiertreffen" war vom ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko vorgeschlagen und von Russlands EU-Botschafter Wladimir Tschischow schon am Montag begrüßt worden. Nach Ansicht Moskaus soll es bei dem Treffen um die geplante EU-Assoziierung der Ukraine gehen. Poroschenko will ein derartiges Abkommen schon am Donnerstag unterzeichnen. Kiew würde das als ersten Schritt hin zu einer EU-Mitgliedschaft betrachten, doch Russland will unter allen Umständen verhindern, dass die Ukraine der EU, vor allem der Nato beitritt. Moskau könnte einen Deal mit dem Westen im Sinn haben und einen Frieden im Osten der Ukraine dann garantieren, wenn die EU von einer Aufnahme der Ukraine langfristig absieht. Das riesige Land, das enorm verschuldet ist, stellt für Brüssel ohnehin kein attraktives neues Mitgliedsland dar.

In der Ukraine war die Freude über das Entgegenkommen Putins jedenfalls groß. Es handele sich um den ersten konkreten Schritt hin zu einer Lösung, hieß es aus Kiew. Neutrale Beobachter sprechen von einem genau abgestimmten Plan Moskaus, der das Ziel habe, die Krise in der Ukraine zu beenden.

Dass Putin nun einen Einmarsch russischer Soldaten ausschließt, ist das bisher letzte einer ganzen Reihe von Signalen, die Friedensgespräche sicherstellen sollen und auf eine tatsächliche Beendigung des blutigen Konflikts in der nächsten Zeit hindeuten. Am Montag haben prorussische Separatisten als Reaktion auf den von Kiew präsentierten Friedensplan eine Waffenruhe bis zum 27. Juni verkündet. Die OSZE könnte den Waffenstillstand überwachen, ohne dass die Mitarbeiter der internationalen Organisation diesmal verschleppt werden.

Brüchiger Waffenstillstand

Ukraines Präsident Poroschenko konnte den Waffenstillstand aus einer Position der Stärke schließen, immerhin sollen zuletzt rund 300 Separatisten bei Kämpfen getötet worden sein. Die ukrainische Armee konnte die Kontrolle über Grenzposten weitgehend wiedererlangen. Das alles sind auch Indizien dafür, dass Moskau die Separatisten nicht mehr mit gleicher Intensität unterstützt wie zu Beginn der Kämpfe.

Noch gibt es allerdings Unsicherheiten. Der Waffenstillstand ist mehr als brüchig. Noch am Dienstag wurde ein Hubschrauber des ukrainischen Militärs abgeschossen. Dabei sollen neun Soldaten ums Leben gekommen sein. Die Armee wirft den prorussischen Separatisten den Beschuss von Straßenposten vor. Die drehen ihrerseits den Spieß um und halten das Militär für wortbrüchig.

Fischer hofft auf Lösung

Bundespräsident Heinz Fischer äußerte die Hoffnung, dass die Visite des Präsidenten einer "friedlichen Lösung der Probleme" in der Ukraine "Rückenwind" gebe. Österreich, so der Bundespräsident, werde jedenfalls darauf hinarbeiten. Bundeskanzler Werner Faymann unterstrich die Rolle Österreichs als Brückenbauer. Die jüngsten Deeskalationsmaßnahmen seien "positive Signale und daher zu begrüßen." Bei einer Unterredung mit Putin sei die Ukraine-Frage im Mittelpunkt gestanden, so Faymann.

Gleichzeitig mit Putin war am Dienstag der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin in Wien. Er führte Gespräche mit dem Vorsitzenden der OSZE, dem Schweizer Bundespräsidenten Didier Burkhalter. Thema war der vereinbarte (und gebrochene) Waffenstillstand in der Ostukraine, es sollten die genauen Modalitäten geklärt werden. Burkhalter wollte auch Putin in Wien treffen. Burkhalter forderte "eine Waffenruhe, die länger als fünf Tage anhält, um mit einem richtigen Dialog beginnen zu können".

Die österreichischen Grünen, die den Besuch Putins kritisierten, bezeichneten immerhin das Friedensangebot des Russen als "erfreulich". Die Aufhebung des Gesetzes über einen möglichen Militäreinsatz sei als Zeichen der Entspannung zu werten.